Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland

Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen aus rechtlicher und fachlicher Sicht

franke
von Ass. jur. und Baumsachverständige Helge Breloer †
Heft 2 der Buch-Reihe „Bäume & Recht“, 6. Auflage

Nachfolgend werden einzelne Kapitel des Buches vorgestellt, das sich mit der Haftung bei Unfällen durch umstürzende Bäume und ausbrechende Äste beschäftigt. Hier geht es um eine Verknüpfung von Praxis und Recht. Der Baumfachmann erfährt die rechtlichen Hintergründe der Verkehrssicherungspflicht und der Jurist die fachlichen Vorgaben. Urteile werden erläutert und Beurteilungskriterien für die Baumkontrolle vorgestellt.

Das vorliegende Buch hat sich zwischenzeitlich zu einem Standardwerk in der Fachliteratur entwickelt und ist für jeden, der mit der Verkehrssicherheit von Bäumen zu tun hat, eine wertvolle Hilfe.*

* Die Autorin war Juristin und bundesweit anerkannte Sachverständige für Baumpflege, Verkehrssicherheit von Bäumen und Gehölzwertermittlung.
www.baeumeundrecht.de, www.methodekoch.de, www.helgebreloer.de
Dozentin im BAUMZENTRUM, www.baumzentrum.de

Vergaberechtliche Entscheidungen

franke

Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht
Dr. Rainer Noch, München

Im zurückliegenden Berichtsjahr fällt auf, dass es eine Häufung von Nachprüfungsverfahren zu dem Thema des sogenannten „Eignungsversprechens“ gab. Es geht dabei um das Eignungs- und letztlich auch Leistungsversprechen, welches der Bieter mit seinem Angebot abgibt. Maschinen und Material unterliegen dabei genauso einer kritischen Betrachtung durch die konkurrierenden Unternehmen wie die Frage des zur Verfügung stehenden Personals oder auch der Gewinnung neuen bzw. zusätzlichen Personals. Dies lohnt allem Anschein nach immer wieder einmal, kostspielige Vergabenachprüfungsverfahren zu initiieren.

Im Weiteren ist eine gewisse Rückkehr zu Förmlichkeiten zu beobachten, die im Kontext der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu betrachten ist. Wie nachfolgend zu sehen ist, hat das OLG Düsseldorf es nicht für akzeptabel erachtet, wenn eine GAEB-Datei einzureichen war und derselbe Inhalt gleichzeitig noch einmal zusätzlich als PDF-Format, jedoch das PDF-Format hochzuladen versäumt wurde und nun nachgereicht werden soll. Dies mag erstaunen, besitzt aber letztendlich eine große Nähe zu einer BGH-Entscheidung, wonach rechtmäßiger Weise selbst eine ganz bestimmte Version einer GAEB-Datei in einer Ausschreibung verlangt werden durfte. Im Falle einer anderen verwendeten Version führte dies zum formalen Ausschluss. Der BGH begründet dies mit der Einfachheit und Sicherheit bei der (elektronischen) Auswertung. Diesbezüglich ist eher wieder ein Schwenk hin zu mehr Formalismus zu vermelden.

Diese und weitere Themen werden in den nachfolgend dargestellten vergaberechtlichen Entscheidungen des abgelaufenen Jahres aufgegriffen. Sie spielen naturgemäß auch im Kontext von Straßenbau und Straßenausstattung eine Rolle.

Bringen Sie sich wieder auf den neuesten Stand der vergaberechtlichen Rechtsprechung:
Wir wünschen eine gute Lektüre!

Der Autor ist Partner der Sozietät Oppler Büchner (München) – www.dr-rainer-noch.de; www.oppler-buechner.de

Ladepunkte nur für bestimmte Marken
Referenzen für solche Ladesäulen zählen nicht

franke
VK Bund (Beschl. v. 26.04.2022, Az.:VK 2-34/22)
Wer die Verantwortung dafür trägt, dass eine hinreichende Landeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge bereitgestellt wird, sollte dafür Sorge tragen, dass die Errichter dieser Infrastruktur die notwendige Erfahrung und Fachkenntnis mitbringen, damit am Ende die Ladesäulen auch funktionieren. Das Bundesverkehrsministerium trägt diese Verantwortung für ein Grundnetz von Schnellladesäulen an den Bundesfernstraßen. Aber auch andere Körperschaften können analog zu den Regeln für den Bund, die im Schnellladegesetz niedergelegt sind, Konzessionen für die Aufstellung von Ladesäulen vergeben oder entsprechende Aufträge erteilen.

Danach ist es als Anforderung zulässig zu verlangen, dass die Bereitsteller von Ladesäulen sowohl in der Errichtung als auch im Betrieb solcher Säulen eine Mindesterfahrung nachweisen können. Der Bund hatte dazu verlangt, dass die Bewerber mindestens zehn 50-kW-Ladepunkte bzw. fünf 100-kW-Ladepunkte entweder errichtet haben oder sie betreiben. Als Ladepunkte sollen nur solche Säulen zählen, die öffentlich zugänglich sind. Nach Ausschluss eines Bewerbers, der Säulen errichtet hat, die aktuell exklusiv Fahrzeugen einer bestimmten Marke zur Verfügung stehen, landet das Vergabeverfahren vor der Vergabekammer des Bundes.

Neben formalen Mängeln im Nachprüfungsantrag, die allein zu dessen Abweisung genügten, sieht die Vergabekammer aber auch ein Problem in der Exklusivität dieser Säulen. Das Argument, nicht die Errichtung einer Exklusiv-Säule unterscheide sich von der einer öffentlichen, sondern nur deren Betrieb, ließ die Vergabekammer nicht gelten. Die Anforderungen an die öffentliche Zugänglichkeit sei zu Recht sowohl für die Errichtung als auch für den Betrieb gestellt worden. Diese sei hier (noch) nicht gegeben, auch wenn sie sich angeblich leicht herstellen lasse. Aber dadurch, dass die errichteten Säulen eben nicht im öffentlichen Betrieb erprobt seien, fehle es an dem Nachweis, dass das Gesamtsystem tatsächlich störungsfrei auch für Drittnutzer funktioniere.

Gesamtprojektleitung
Teilreferenzen genügen nicht

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OLG Koblenz (Beschl. v. 22.06.2022, Az.: Verg 1/22)
Um den Auftrag zur Planung eines Gewässerbegleitweges und der damit einhergehenden Renaturierung des Wasserlaufes streiten zwei Bieter. Dabei geht es um die Frage, wie die Referenzprojekte eines Planers zu bewerten sind, der früher bei dem einen, nunmehr aber bei dem anderen Bieter angestellt ist. Pikant: Dieser Planer erklärt seinem neuen Arbeitgeber, er sei in einem Projekt, das sein früherer Arbeitgeber als Referenz angibt, Projektleiter gewesen. Doch dieses Projekt habe nicht den Umfang gehabt, der in der Referenz behauptet wird. So seien damals keine Planungen der Renaturierung erfolgt. Zudem müssten die Leistungen der Phasen 5 bis 7 aus diesem Referenzprojekt herausgerechnet werden, weil der damalige Bearbeiter nun beim Konkurrenten arbeite.

Diese Konstellation erfordert eine detaillierte Sachaufklärung durch die Vergabekammer. Dabei stellt sich heraus, dass die Anforderung der Benennung eines Gesamtprojektleiters, der einschlägige Referenzen vorweisen kann, von dem zum Zuschlag vorgesehenen Bieter nicht erfüllt wurde. Denn der benannte Mitarbeiter hatte das Referenzprojekt zwar wohl in seiner ganzen Breite, also Weg und Renaturierung, jedoch nur hinsichtlich der Phasen 1 bis 4 geleitet. Insofern konstatiert die Vergabekammer, dass dieser Mitarbeiter gerade kein „Gesamtprojektleiter“ war, weil die weiteren Phasen von seinem damaligen Vorgesetzten verantwortet wurden.

Das OLG Koblenz bestätigt die Ansicht der Vergabekammer. Es gibt demnach keinen Spielraum dafür, den Bedeutungsgehalt des Begriffes „Gesamtprojektleiter“ einer Auslegung zu unterziehen – auch wenn es weder eine Legaldefinition gibt noch eine Definition in den anerkannten Regeln der Technik. Denn er ist aus sich heraus verständlich und kann keinesfalls dahingehend umgedeutet werden, dass er auch die Leitung nur des ersten Teils des Projektes umfasse. Der Gesamtprojektleiter war also der Vorgesetzte des referenzierten Mitarbeiters – und der ist nun beim Konkurrenten angestellt.

Fachkräftemangel
Woher nimmt der Bieter sein Personal für den Auftrag?

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VK Sachsen (Beschl. v. 01.08.2022, Az.: 1/SVK/010-22)
Autos abschleppen ist eine Tätigkeit, die eine besondere Qualifikation erfordert. Dazu reicht es nicht, einen LKW-Führerschein für das Abschleppfahrzeug zu besitzen. Vielmehr benötigt man dazu Mitarbeiter, die nach dem Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz den Fachqualifikationsnachweis mit der Schlüsselzahl 95 erbringen. Solche Kraftfahrer sind vergleichsweise rar. Wie im vorherigen Fall streiten nun wieder zwei Bieter, die sich aus Voraufträgen kennen, um einen Auftrag zum Abschleppen und Sicherstellen von Fahrzeugen. Der eine Bieter war zuvor Subunternehmer des anderen. Der damalige Hauptunternehmer bestreitet Leistungsfähigkeit seines früheren Subunternehmers.

Dieser habe zu wenig qualifiziertes Personal. Das wisse er, weil er ja gesehen habe, wie viele (bzw. wenige) Fahrer sein heutiger Konkurrent als Subunternehmer bereithielt. Am Arbeitsmarkt seien auch kurzfristig keine weiteren Abschleppfahrer verfügbar. Mit dieser Kritik blieb er erfolglos, weil er doch nicht den ganzen Betrieb seines Konkurrenten überblicken konnte.

Der hatte nämlich immer gerade so viele Fahrer für den Hauptunternehmer bereitgestellt, wie vertraglich vorgesehen war. Der restliche Personalbestand war demnach nicht erkennbar. Zu Recht, meint die Vergabekammer, müsse bei einer beschränkten Verfügbarkeit von Arbeitskräften hinterfragt werden, woher ein Bieter sein Personal bekommen wolle. Das war hier aber einfach zu beantworten: Einerseits war der Personalbetand wesentlich größer, als es von außen den Anschein hatte. Zum anderen hatte der frühere Subunternehmer sein Personal zuvor nicht einmal komplett ausgelastet. Aber gerade wegen des Fachkräftemangels hatte er darauf verzichtet, Arbeitsplätze abzubauen und die unterbeschäftigten Mitarbeiter gehalten. So hatte er nun genügend Reserven, um einen neuen Auftrag annehmen zu können. Eine genaue Analyse, ob dieser Bestand ausreicht, war hier nicht nötig, denn in den Eignungskriterien war kein Mindestpersonalbestand gefordert.

Ingenieur zum Mindestlohn?
Kalkulationsfehlern muss nachgegangen werden

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VK Sachsen (Beschl. v. 05.08.2022, Az.:1/SVK/012-22)
Das Angebot des Bestbieters war deutlich günstiger als alle anderen. Die Aufgreifschwelle für die Preisprüfung wurde erreicht, sodass der Auftraggeber versuchte eine Preisaufklärung zu betreiben. Er stellte diesem Bieter einige Fragen. Aus der Antwort glaubte er schließen zu können, dass das Angebot auskömmlich sei. Als der Zweitplatzierte die Vorabinformation über den geplanten Zuschlag erhalten hat, rechnet er aus den darin enthaltenen Angaben den Personalkostenanteil des Bestbieters zurück. Ergebnis: Für den Auftrag zur Planung von Verkehrsinfrastruktur waren detaillierte Vorgaben über die berufliche Qualifikation der Planer gemacht worden. Kalkulatorisch ist der Personalkostenansatz im besten Angebot aber so niedrig, dass damit gerade einmal der Mindestlohn gezahlt werden könnte.

Nachdem der Auftraggeber diesen Einwand zurückwies, beantragt der Zweitplatzierte die Nachprüfung. Die Vergabekammer sieht sich die Bemühungen des Auftraggebers um Aufklärung genauer an. So findet sie in der Vergabeakte, dass die Antworten des Bestbieters keine neuen Informationen enthalten, sondern nur Aussagen wiederholen, die bereits dem Angebot zu entnehmen waren. Zudem wurden nicht alle auffällig hoch kalkulierten Positionen hinterfragt. Dennoch heißt es im Vergabevermerk, das Angebot „scheine auskömmlich zu sein“.

Dies genügt nicht den Ansprüchen an eine Preisaufklärung. Ohne zusätzliche Informationen kann der Auftraggeber auch keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn erlangen, der den Verdacht einer unauskömmlichen Kalkulation widerlegen könnte. Dazu genügt es auch nicht, sich – wie geschehen – vom Bieter ausdrücklich die Auskömmlichkeit seiner Kalkulation bestätigen zu lassen. Vielmehr muss der Auftraggeber selbst nachforschen, ob die Kalkulation Fehler enthalten könnte. Hier zum Beispiel kann das dadurch geschehen, dass er einen Personaleinsatzplan anfordert, um die unerwartet niedrigen Personalkosten nachvollziehen zu können.

Dateiformat beachten!
Auftraggebervorgaben sind einzuhalten

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OLG Düsseldorf (Beschl. v. 17 08.2022, Az.:Verg 54/21)
Auch wenn die Beseitigung von Ölspuren eigentlich eine typische Dienstleistung ist, wird zuweilen verlangt, dass die Angebotsunterlagen als GAEB-Datei einzureichen sind, also in einem Dateiformat, das eigentlich aus dem Bauwesen stammt. Das mag damit zusammenhängen, dass die Angebotsauswertungen in den Straßenbaubehörden standardisiert und auf Bauvergaben zugeschnitten sind. Dass das GAEB-Format für solch einen Dienstleistungsauftrag vielleicht doch nicht die optimale Wahl sein mag, schien ein Auftraggeber zu ahnen. Er hatte zusätzlich verlangt, alle Daten auch noch als pdf-Dokument zur Verfügung zu stellen. Obwohl der Inhalt beider Dateien identisch sein muss, hat er sich zudem dazu entschieden, auf die Nachforderung zu verzichten, sollte die pdf-Datei fehlen.

Nun aber hatte ein Bieter Probleme mit der Datenübertragung zur Vergabeplattform. Erst nach mehreren Telefonaten mit deren Service-Hotline gelang es, den Fehler zu lokalisieren. Zur Behebung musste das gesamte Angebot neu erstellt werden. Dafür wurde die Zeit knapp. In Anbetracht dessen entschied sich der Bieter, nur die GAEB-Datei hochzuladen und auf das pdf zu verzichten, damit er die Angebotsfrist noch einhält. Fast auf die Sekunde genau zum Schlusstermin war die Übertragung abgeschlossen.

Der Auftraggeber schließt das Angebot aus. Zu Recht, wie das OLG Düsseldorf meint. Ob es noch rechtzeitig einging, war nicht mehr relevant. Vielmehr dürfe es ohne pdf-Datei nicht gewertet werden. Eine Nachforderung der fehlenden Datei ist ausgeschlossen, auch wenn damit keine Änderung des Angebotsinhaltes einhergeht. Der Auftraggeber darf nämlich aus Gründen der Gleichbehandlung nicht von seiner Selbstbindung abweichen, keine Nachforderung vorzunehmen. Die in der Nachprüfung geäußerte Kritik, dass eine solche Doppeleinreichung sinnlos sei, kommt zu spät: Sie hätte als Rüge schon vor Angebotsschluss vorgebracht werden müssen.

Unklarer Entsorgungsweg
Straßenaufbruch muss erst analysiert werden

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VK Rheinland (Beschl. v. 20.09.2022, Az.: VK 21/22)
Der Auftraggeber wollte sicherstellen, dass der Asphaltaufbruch, der bei der Komplettsanierung einer Straße anfällt, fachgerecht einer Entsorgung zugeführt wird. Mit der Frage, wie dieses Ansinnen im Leistungsverzeichnis abzubilden sei, fühlte sich der Auftraggeber überfordert. Er holte daher den Rechtsrat seiner Aufsichtsbehörde ein, die auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz des Landes verwies. Demnach sei der Inhaber von Abfallstoffen andienungspflichtig bei bestimmten Entsorgungsanlagen. Vom Bieter könne daher verlangt werden, dass er schon in seinem Angebot benennt, welche Anlage er anfahren wolle, um zu überprüfen, ob er die Andienungspflicht erfüllt. Prüfungsmaßstab dafür sei das örtlich anzuwendende Abfallwirtschaftskonzept.

Dies sieht ein Bieter jedoch ganz anders. Er meint, das Abfallwirtschaftskonzept binde nur die Verwaltung, nicht aber Bürger und Unternehmen. Er fragte daher beim örtlichen Abfallzweckverband nach, wo er den Abfall hinbringen solle. Doch die Antwort war ernüchternd: Der Entsorgungsweg hängt nämlich von der konkreten Abfallzusammensetzung ab und nicht etwa vor der nach dem Bodengutachten zu erwartenden. Das heißt: Zunächst müssen Proben vom Abfall gezogen werden. Erst nach deren Analyse kann der Zweckverband entscheiden, wo der Abfall hin soll. Proben kann man aber erst während des laufenden Auftrages ziehen.

Die Vergabekammer kommt zu dem Schluss, dass unter diesen Bedingungen das Leistungsverzeichnis eine unerfüllbare Forderung aufstellt. Die Rechtslage sei tatsächlich so, wie sie vom Zweckverband dargestellt wurde, die Aufsichtbehörde irrte. Wenn aber der Entsorgungsweg zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe noch gar nicht feststeht, kann vom Bieter auch nicht gefordert werden, ihn schon zu benennen. Insofern kann auch ein Angebot nicht ausgeschlossen werden, das diese unerfüllbare Forderung nicht erfüllt. Die Wertung ist unter Außerachtlassung dieser Forderung zu wiederholen.

Kritische Bauaufgabe
Subunternehmereinsatz kann untersagt werden

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VK Lüneburg (Beschl. v. 14.10.2022, Az.: VgK-17/2022)
Beim Bau eines Straßentunnels in offener Bauweise war es erforderlich, die bisherige Straße über eine Behelfsbrücke an der Tunnelbaustelle vorbeizuführen. Das Baufeld für diese Maßnahme ist extrem eng, was dazu führt, dass die Gründung der Behelfsbrücke in der Baugrube der Tunnelbaustelle vorgenommen werden muss. Darin erkennt der Bauherr eine kritische Bauaufgabe: Schließlich hängt die statische Stabilität der Behelfsbrücke davon ab, dass in der Baugrube keine Arbeiten ausgeführt werden, die auf die Gründung der Brücke negativ einwirken. Hier können Fehler gravierende Folgen haben, wie das Beispiel des Kölner U-Bahn-Baus gezeigt hatte.

Der Auftraggeber will sich daher eine Bestimmung zunutze machen, die bei der Reform der EU-Richtlinien eingeführt wurde: Bei kritischen Bauaufgaben kann – abweichend von dem grundsätzlichen Verbot, die Selbstausführung durch den Bieter zu verlangen – der Einsatz von Nachunternehmern untersagt werden. Allerdings ist der Begriff der kritischen Bauaufgabe nirgends einigermaßen scharf definiert, weswegen es immer auf die Einzelfallbetrachtung ankommt. So kam es, wie es kommen musste: Diese Einzelfallbetrachtung wird einer Nachprüfung unterzogen.

Die Vergabekammer hat in diesem Falle die Argumentation des Auftraggebers, warum er die Aufgabe für eine kritische hielt, gebilligt. Der Auftraggeber trug nicht nur die räumliche Enge des Baufeldes vor. Hinzu trete auch ein knapper Zeitplan und die große volkswirtschaftliche Bedeutung der Baumaßnahme. Eine andere Umfahrungsmöglichkeit außer der parallelen Behelfsbrücke sei auch nicht machbar. Und schließlich gehe es ihm darum, dass es gerade hinsichtlich der statischen Risiken der komplexen Bauaufgabe keine Aufspaltung der Haftung gebe. Die Aufgabe müsse aus einer Hand erfüllt werden, was nur sichergestellt sei, wenn nur genau ein Unternehmen, nämlich der Bieter selbst, in der Baustelle arbeite. Die Selbstausführung war zudem nur auf die statisch kritischen Teile des Auftrages beschränkt.

Aufklärung ohne Grenzen
Nicht zu verwechseln mit der Nachforderung!

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VK Bund (Beschl. v. 18.11.2022, Az.: VK 1-87/22)
Beim Winterdienst ist die Breite des Schneepfluges eine entscheidende Größe: Ist er zu schmal, muss ggf. die gleiche Strecke mehrfach abgefahren werden, um die gesamte Fahrbahnbreite zu räumen. Oder es verbleibt ein Rest, was aus Sicht der Verkehrssicherung unzureichend wäre. Daher hat ein Winterdienst-Auftraggeber von den Bietern gefordert, sie müssten nachweisen, dass ihre Anbaugeräte eine Mindesträumbreite von 6,70 m erreichen. Dann aber stritten sich die Bieter mit dem Auftraggeber darum, mit welchem Schwenkwinkel der Pflugscharen diese Breite erreicht werden müsse. Ist der Winkel zu klein, fließe der Schnee nicht ab, hatte ein Bieter vorgetragen. Die Mindestbreite müsse daher bei bereits mit einer Aufstellung des Pfluges von mind. 42° erreicht werden.

Letztere Frage konnte unbeantwortet bleiben, denn die Vergabeunterlagen machten nur eine Aussage zum Winkel des Frontpflugs (32°), nicht aber zum Seitenpflug. Der Winkel des Frontpfluges war in dem zuletzt strittigen Angebot aber eingehalten. Darüber hinaus stritten die Beteiligten auch über die Breite eines Mobilbaggers für die Grasmahd, der mindestens 14 m Ausleger-Reichweite erreichen sollte. Diese Reichweite war dem strittigen Angebot nicht klar zu entnehmen. Der Auftraggeber hatte diesbezüglich immer neue Aufklärungsfragen an den Bieter gestellt, so lange, bis er sicher war, dass die geforderte Breite erreicht wird.

Die Vergabekammer hält das strittige Angebot für wertbar. Da zum Seitenpflug keine Winkel-Vorgabe gemacht wurde, kann nicht gefordert werden, dass die Mindestbreite bei einem bestimmten Ausstellwinkel erreicht wird. Es genügt daher, wenn die Breite schon bei 32° erreicht wird. Auch die mehrfache Nachfrage im Rahmen der Aufklärung billigt die Vergabekammer. Sie erläutert, dass für die Aufklärung andere Regeln als für die Nachforderung von Unterlagen gelten. Der Auftraggeber darf grundsätzlich so lange nachfragen, bis er das Angebot verstanden hat, sofern sich dadurch der Inhalt nicht verändert.

Berufsausübungsgenehmigung
Eignungskriterium oder Ausführungsbestimmung?

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EuGH (Urt. v. 26.01.2023, Rs. C-403/21)
An sich ist es üblich, von Bietern zu verlangen, dass sie eine für die Ausführung des Auftrages erforderliche Erlaubnis zur Berufsausübung nachweisen. Üblich bedeutet aber nicht, dass es zwingend so sein muss, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt hat. Zu Grunde lag ein Fall aus Rumänien. Dort tangierte ein Straßenbauprojekt eine kleine Fläche, die dem Eisenbahnverkehr gewidmet war. Zu Beginn der Planung war noch unklar, ob diese Teilfläche überhaupt benötigt werden wird. Allerdings wäre es bei Einbeziehung dieser Fläche nach dortigem Recht erforderlich, dass das Büro, welches diese Eisenbahnfläche überplant, eine Lizenz der dortigen Bahnaufsicht besitzt. In den Eignungskriterien war diese Lizenz nicht aufgeführt.

Ein Büro, welches eine solche Lizenz nicht besaß, sollte ausgeschlossen werden, weil es aufgrund der Rechtslage daran gehindert ist, den Auftrag auszuführen, ganz unabhängig davon, ob das Kriterium offiziell benannt worden war. Dieser Bieter trug vor, er wolle für den aus seiner Sicht unwahrscheinlichen Fall, dass diese Fläche überhaupt benötigt werde, einen entsprechend lizensierten Planer hinzuziehen. Ob dies den Anforderungen genüge, fragt das rumänische Gericht den EuGH.

Die Luxemburger Richter entschieden zu Gunsten dieses Bieters. Zum einen müssen auch Eignungskriterien, die sich aus dem Gesetz ergeben, veröffentlicht werden. Zum Zweiten spricht nichts dagegen, einen lizensierten Planer hinzuzuziehen. Dies ist auch keine Subunternehmerstellung, sofern er nicht auf eigene Verantwortung tätig wird. Zum Dritten ist der Auftraggeber frei darin, eine solche Lizensierungsanforderung gar nicht als Eignungskriterium aufzustellen, sondern sie wie hier als Ausführungsbedingung in sein Vertragswerk einzubauen. So ist es auch nach deutscher Rechtslage. § 44 VgV sagt, der Auftraggeber „kann“ als Eignungsnachweis die Lizenz verlangen. § 6 VOB/A EU sagt, die Lizenz „darf“ als Eignungskriterium herangezogen werden. Von „muss“ ist nicht die Rede.

Fahrzeug doppelt verwendet
Kapazitätsprüfung bei parallelen Mehrfachbewerbungen

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VK Thüringen (Beschl. v. 07.02.2023, Az.: 5090-250-4003/398-2022-E-005-GTH)
Wenn die Vergabe des Winterdienstes ansteht, kommen eine Vielzahl von Ausschreibungen gleichzeitig auf den Markt. Interessierte Unternehmen müssen sich dann auf mehrere Ausschreibungen gleichzeitig bewerben, ohne vorhersehen zu können, ob bzw. in wie vielen Ausschreibungen sie erfolgreich sein werden. Nur eines ist sicher: Sie werden nicht auf alle Bewerbungen den Zuschlag erhalten. Wollen sie ihre Kapazitäten auslasten, müssen sie also mehr Bewerbungen abgeben, als ihnen eigentlich Kapazitäten zur Verfügung stehen. Dieses Geschäftsgebaren ist üblich und aus kaufmännischer Sicht auch unvermeidlich.

Und es ist auch vergaberechtlich unproblematisch, solange sich parallele Mehrfachbewerbungen an verschiedene Auftraggeber richten. Denn dann hat ja keiner der Auftraggeber einen Anhaltspunkt dafür, dass die Kapazitäten nicht für alle Bewerbungen ausreichen. Anders aber, wenn ein Auftraggeber mehrere Ausschreibungen gleichzeitig lanciert, und zwar getrennt und nicht etwa gemeinsam und in verschiedene Gebietslose aufgeteilt: Er sieht die Parallelbewerbung und steht vor dem Problem, wie er es hinsichtlich der Eignung beurteilen soll, wenn dieselben Fahrzeuge zwei verschiedenen Bewerbungen zugrunde liegen.

Die Vergabekammer Thüringen verlangt, derartige Vergabeverfahren völlig getrennt zu betrachten. Solange kein Zuschlag erteilt sei, dürfe sich ein Bieter auf die dann noch nicht gebundenen Kapazitäten berufen. Dies gelte für die Bewerbung auf zwei Ausschreibungen verschiedener Auftraggeber. Es sei nicht ersichtlich, warum bei zwei Ausschreibungen desselben Auftraggebers anderes gelten sollte. Wie kann der Auftraggeber das Problem nun lösen? Entweder, er staffelt die Vergabe zeitlich so weit, dass die Zuschläge eines Verfahrens Bestand haben, bevor er diejenigen des nächsten erteilen muss. Hat er die Zeit nicht, fasst er beide Ausschreibungen zusammen und vergibt die beiden Gebiete als Teillose. So hat er die Gelegenheit, einen gemeinsame Eignungsprüfung durchzuführen.

Verschobene Kosten
Nicht immer ist es eine Mischkalkulation

franke
VK Bund (Beschl. v. 02.03.2023, Az.: VK 2-10/23)
Seit vielen Jahren ist es entschieden: Hat ein Bieter einzelne Einheitspreise künstlich niedrig gehalten und dafür an anderer Stelle seines Angebotes entsprechende Aufschläge auf die Einheitspreise kalkuliert, so enthält das Angebot nicht die wirklich verlangten (Einheits-)Preise. Eine solche Mischkalkulation hat der Bundesgerichtshof für unzulässig erachtet. Schließlich eröffnet ein solches Vorgehen dem Bieter die Hoffnung, dass der niedrige Einheitspreis maximal im geforderten Umfang anfalle, der künstlich erhöhte Preis aber für Positionen verlangt wird, in denen mit Nachträgen zu rechnen ist. Mit der Spekulation auf überhöhte Nachträge kann das Angebot zu einem kleineren Preis kalkuliert werden und verzerrt so den Wettbewerb.

Diese starre Sichtweise wurde nach und nach wieder etwas aufgeweicht hinsichtlich der Relevanz der Preisverschiebung. Sind die Positionen, die falsch bepreist wurden, im Vergleich zum Gesamtangebot unwesentlich (und verändern auch die Bieterreihenfolge nicht), so kann das Angebot in der Wertung bleiben. Also ist nicht mehr nur zu fragen, ob der Preis wesentlich ist, sondern auch, ob die Verschiebung überhaupt eine Spekulation ermöglicht.

So jedenfalls sieht es die Vergabekammer des Bundes: Bei einer Ausschreibung für Kanalreinigungs¬arbeiten nebst zugehöriger Verkehrssicherung waren die beiden Teilleistungen einzeln mit Einheitspreisen zu versehen. Ein Bieter bot die Sicherung atypisch günstig, die Reinigung hingegen ungewöhnlich teuer an. Da beide Positionen die Hauptleistung betrafen, konnten sie nicht als Geringfügig abgetan werden. Dennoch liegt hier keine verbotene Mischkalkulation vor: Aufgrund des Leistungsverzeichnisses war klar, dass die Vordersätze zu beiden Einheitspreisen immer identisch bleiben. Die Spekulationsgrundlage, dass eine Position häufiger als die andere anfallen könnte, entfällt. Der Bieter kann sich daher mit dieser Preisgestaltung keinen wettbewerbsverzerrenden Vorteil verschaffen.

Referenzanforderungen müssen eindeutig sein
Missverständlichkeit erfordert die Rückversetzung

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VK Nordbayern (Beschl. v. 08.03.2023, Az.: RMF-SG21-3194-7-30)
Zur Verkehrssicherung ist es erforderlich, dass Straßen regelmäßig abgefahren und beobachtet werden. Manche Kommunen gehen noch weiter und veranlassen in regelmäßigen Abständen dreidimensionale Laserscans des gesamten Straßenbildes. Insbesondere in Großstädten kommen solche Methoden zum Einsatz. Viele Unternehmen sind nicht auf dem Markt, die diese Technik beherrschen. Umso ärgerlicher ist es, wenn eines dieser Unternehmen wegen formaler Fehler nicht zum Zuge kommen kann, weil der Bieter die Referenzanforderungen falsch verstanden hat.

So geschah es der Stadt Nürnberg. Sie verlangte, dass die Bieter für die geplante zweimalige Laservermessung im Abstand von 24 Monaten mindestens fünf vergleichbare Referenzen aus den Jahren 2020 bis 2022 vorlegen. Vergleichbar sein sollten Referenzen mit einem Streckennetz von mindestens 1000 Kilometern. Ein Bieter hatte dazu Referenzen aus den Großstädten F…, K…, L…, M… und S… vorgelegt, mithin aus fast allen in Deutschland in Frage kommenden Städten. Die Fachbehörde hat diese Referenzen für ausreichend erachtet, jedoch das Rechnungsprüfungsamt (RPA) bemängelte, dass die Referenz aus M… zu alt sei. Das Vergabeverfahren war nach Ansicht des RPA aufzuheben, was dann auch so geschah. Der Bieter lässt diese Entscheidung von der Vergabekammer nachprüfen.

Die Vergabekammer gibt dem Bieter recht: Die Referenzen aus den anderen vier Städten umfassten jeweils mehrere Befahrungen. Die Vergabeunterlagen waren insofern nicht eindeutig formuliert: Es war nicht erkennbar, ob die Doppelbefahrung einer Stadt als eine oder als zwei Referenzleistungen zu zählen waren, wenn jedes Mal mehr als 1000 Kilometer abgefahren worden waren. Diese Unklarheit verstößt gegen den Transparenzgrundsatz. Daher ließ sich eine Aufhebung nicht darauf stützen, dass das einzige Angebot zu wenige Referenzen enthalten habe. Vielmehr hätte das Verfahren zurückversetzt werden müssen, um die Referenzanforderungen mit einer Änderungsbekanntmachung zu konkretisieren.

E-Scooter im Straßenraum
Sondernutzung oder Vergabeentscheidung?

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VG Bremen (Beschl. v. 24.05.2023, Az.:5 V 829/23)
Vielerorts stören die großen Zahlen wild im Straßenraum abgestellter E-Scooter. Mit eine Ursache dafür ist die Tatsache, dass das Abstellen der Fahrzeuge und das Bereithalten zur Anmietung allgemein als regelgerechte Nutzung öffentlicher Verkehrsflächen angesehen wird. Die Stadtbürgerschaft Bremen hat allerdings einen Hebel gefunden, wie man die vielen Verleihfirmen zur Ordnung anhalten kann. Denn damit das Geschäftsmodell funktioniert, müssen die Scooter auch gewartet, eingesammelt, und ggf. an Orte hoher Nachfrage zurückgefahren werden. Diese Tätigkeiten stellen eine Sondernutzung des Straßenraumes dar. Sie ohne entsprechende Erlaubnis auszuführen, ist in Bremen verboten.

Die Erlaubnis können maximal vier Verleihunternehmen, aufgeteilt auf zwei deutlich unterschiedlich große Gebiete, erhalten. Für deren Auswahl hat die Verkehrsbehörde ein Verfahren gestartet, in dem interessierte Unternehmen den Antrag auf Zulassung stellen konnten. Ob sie zugelassen würden, hat die Verwaltung anhand eines Kriterienkataloges festgelegt, der aber nicht veröffentlicht worden war. Die Entscheidung wird von einem Unternehmen, das dabei nicht wie gewünscht zum Zuge kam, vor dem Verwaltungsgericht angefochten.

Das Gericht bestätigt zunächst die Rechtsauffassung, dass die Nebentätigkeiten im Gegensatz zum reinen Verleihvorgang keinen regulären Straßengebrauch darstellen. Es sieht hierin eine erlaubnispflichtige Sondernutzung. Das bedeutet zugleich aber auch, dass es sich bei der Auswahlentscheidung nicht um ein Vergabeverfahren handelt, sondern um ein verwaltungsinternes Auswahlverfahren. Deswegen gibt es auch keine Verpflichtung der Verwaltung, eine Bewertungsmatrix zu veröffentlichen, anhand derer Punkte vergeben und eine Rangfolge der Bewerber gebildet wird. Eine Analogie zum Vergaberecht könne nicht gezogen werden, weil die starre Führung eines Vergabeverfahrens im GWB eine eigene Rechtsgrundlage habe, die für Verwaltungsverfahren nicht einschlägig sei.

Abschleppaufträge gleichmäßig verteilt
Kein Vergabeverfahren ohne Bieterauswahl

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OLG Frankfurt (Beschl. v. 22.08.2023, Az.:11 Verg 1/23)
Im dritten Anlauf zum Erfolg: Bereits in der Vorjahresausgabe dieses Handbuches war von dem Versuch einer Kommune berichtet worden, die Aufträge für das Abschleppen von Fahrzeugen möglichst gleichmäßig auf mehrere Unternehmen zu verteilen. So sollte sichergestellt werden, dass unabhängig von der Auslastung des einzelnen Bieterunternehmens immer ein Fahrzeug zur Verfügung steht. Hat der eine Auftragnehmer aktuell keine Kapazitäten frei, geht der Auftrag an den nächsten nach einer festgelegten Reihenfolge. Die Kommune bezeichnete dies als „Reihum“-Verfahren. Sie hat dieses Verfahren interimsweise bereits durchgeführt, während frühere Ausschreibungsversuche vor den Vergabekammern scheiterten.

Auch dieses Vergabeverfahren zog wieder einen Nachprüfungsantrag nach sich, diesmal aber mit Erfolg für die Kommune. Denn im Gegensatz zum gescheiterten vorhergehenden Anlauf wird diese Einzelvergabe nun nicht mehr auf einen externen Berater ausgelagert, sondern von der Kommune selbst vorgenommen. Wie sieht nun also die Ausgestaltung dieser Vergabe aus? Die Kommune hatte eine Rahmenvereinbarung ausgeschrieben, zu der sie anhand der Eignung mehrere Unternehmen zuließ, solange sie bereit waren, zu der vorgegebenen Maximalvergütung anzubieten. Alle zugelassenen Rahmenvereinbarungspartner erhalten durch das „Reihum“-Verfahren im Wesentlichen die gleiche Zahl von Aufträgen.

Das OLG Frankfurt sieht in diesem Verfahren keine Rechtsfehler, die einzelne zugelassene Bieter benachteiligen würden. So ist es jetzt (endlich) gelungen, eine Art „Open-House-Modell“ für die Abschleppaufträge zu schaffen. Üblicherweise müsste zwischen den Rahmenvereinbarungspartnern noch um jeden Auftragsabruf ein Wettbewerb stattfinden. Weil aber durch die „Reihum“-Beauftragung keine Bieterauswahl hinsichtlich der einzelnen Abschleppaufträge mehr stattfindet, sondern diese nach einem vorgegebenen Schema verteilt werden, ist dafür auch kein „Mini-Wettbewerb“ zwischen den Partnern mehr erforderlich.

Kein Vertrauensschutz, aber auch keine Rückwirkung
Geänderte Förderbedingungen gelten nur für die Zukunft

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OVG Nordrhein-Westfalen (Urt. v. 08.09.2023, Az.: 4 A 3042/19)
Für Baumaßnahmen werden die Planungsleistungen häufig in einem gemeinsamen Auftrag für die HOAI-Phasen 1-9 vergeben. So jedenfalls hat es eine Kommune in NRW gehalten, die drei Abwasserkanäle erneuern wollte. Der Vorgang liegt fast 10 Jahre zurück und beschäftigte nun die Verwaltungsgerichte. Hintergrund ist ein Urteil des OVG Niedersachsen aus dem Jahr 2012, das erst mit zwei Jahren Verzögerung in den Ministerien in NRW bekannt wurde. Das niedersächsische Gericht unterteilt nämlich die HOAI-Phasen in solche, welche der Planung, und solche, welche der Bauausführung zuzurechnen sind. Die Grenze zwischen beiden wurde zwischen der Phase 6 und 7 gezogen.

2014 hatte sich dies in NRW noch nicht durchgesetzt. So hat die Klägerin für ihre Kanalsanierung die Förderung beantragt, obwohl sie bereits die Planung bis Phase 9 beauftragt hatte. Die Förderung wurde seinerzeit auch bewilligt. Im Nachgang fragte die Bewilligungsbehörde nach den Phasen 7-9 und erklärte zunächst, die Kosten für dieses drei Phasen müssen aufgrund des Urteils aus Niedersachsen aus der Förderung herausgenommen werden. Nach einem neuen Erlass des Ministeriums aus dem Jahr 2016 hat die Behörde den Förderbescheid für die Vergangenheit zurückgenommen, weil er gemessen am Urteil aus Niedersachsen rechtswidrig ergangen sei: Mit der Beauftragung der Phasen 7-9 liege ein unzulässiger vorzeitiger Beginn der Baumaßnahme vor.

Diese Rücknahme hat keinen Bestand. Zwar genießt die Kommune keinen Vertrauensschutz. Wohl aber muss sich die Behörde aus Gründen der Gleichbehandlung der Fördermittelempfänger an derjenigen Verwaltungspraxis festhalten lassen, die im Zeitpunkt der Bescheidung des Antrages üblich war. Wenn das Land die Bedeutung des Niedersächsischen Urteils erst 2016 in seine Richtlinien eingearbeitet hat, kann dies die Verwaltungspraxis im Jahr 2014 noch nicht bestimmt haben. Für die Zukunft bedeutet das aber, für zu fördernde Vorhaben ist der Planungsauftrag tunlichst nur für die Phasen 1-6 zu vergeben.

Der rote Faden

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Zur Verkehrssicherungspflicht für Bäume – und zwar zum Schadensersatz – sind inzwischen über 2000 Urteile in der juristischen Datenbank zu finden, davon viele BGH-Urteile und zum überwiegenden Teil OLG-Urteile, von denen manche aus fachlicher Sicht als Fehlurteile oder zumindest als bedenklich anzusehen sind. Es sind auch immer wieder bestimmte Tendenzen in der Rechtsprechung zu beobachten, welche naturgemäß entsprechende Tendenzen in der Baumpflege widerspiegeln. Bei jedem Urteil handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, und die jeweilige Begründung darf grundsätzlich weder verallgemeinert noch übertragen werden. Dennoch zieht sich ein roter Faden hinsichtlich der Beurteilungskriterien durch die Rechtsprechung:

Der Umfang der Baumkontrollen und die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen sind je nach Lage des Falles an folgenden Kriterien zu messen:

    (1) Zustand des Baumes (Alter, Baumart, Vitalität, Verzweigungsmuster, Mängel, Schäden usw.)
    (2) Standort des Baumes (Straße, Parkplatz, Friedhof, Spielplatz, Garten, Park, Wald, Landschaft usw.)
    (3) Art des Verkehrs (Verkehrshäufigkeit und Verkehrswichtigkeit)
    (4) Verkehrserwartung (Mit welchen Gefahren muss der Verkehrsteilnehmer rechnen? Worauf kann er sich einstellen? Pflicht, sich selbst zu schützen)
    (5) Zumutbarkeit der erforderlichen Maßnahmen (auch wirtschaftliche Zumutbarkeit von Baumkontrollen und Sicherungsmaßnahmen, gemessen an den objektiv zu beurteilenden Möglichkeiten des Verkehrssicherungspflichtigen – nicht an allgemeiner Finanzknappheit)
    (6) Status des Verkehrssicherungspflichtigen (hinsichtlich der Beurteilung fahrlässigen Handelns oder Unterlassens: Behörde/ Privatmann)

Sichtkontrolle mit dem Hubwagen?

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Das OLG Brandenburg hat sich mit einem Urteil vom 7. März 2000 hinsichtlich der Anforderungen an die Art der Baumkontrollen in Gegensatz zu der herrschenden Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht für Bäume gestellt, nach der als Regelkontrolle eine sorgfältige Sichtkontrolle vom Boden aus anzusehen ist und erst beim Vorliegen besonderer verdächtiger Umstände eine eingehende Untersuchung vorzunehmen ist, zu der auch der Einsatz eines Hubwagens gehört. Das OLG Brandenburg stellt dagegen in seiner Entscheidung vom 7. März 2000 fest:

„Die Pflichtverletzung des Landes besteht schon darin, dass es sich auf visuelle Kontrollen ohne den Einsatz von Hubwagen beschränkt hat.“ In dem zugrunde liegenden Fall waren abgestorbene Äste aus einer 20 m hohen Linde auf einen Pkw gefallen und hatten diesen beschädigt. Das Gericht hatte die zweimal jährlich vom Boden aus erfolgte Sichtkontrolle des beklagten Landes nicht als entlastend angesehen, sondern ausgeführt:

„Die fehlende Kenntnis des Beklagten vom Vorhandensein abgestorbenen Geästs kann auch daran gelegen haben, dass die fragliche Linde über 20 m hoch ist und sich das Astwerk nur im obersten Bereich befindet. Zwischen den Parteien ist insbesondere unstreitig geblieben, dass vom Boden aus das Totholz nicht unbedingt erkennbar war. Auch dies entlastet das beklagte Land jedoch nicht. Im vorliegenden Fall reichte eine Kontrolle vom Boden aus nämlich nicht aus. Die Pflichtverletzung des Landes besteht schon darin, dass es sich auf visuelle Kontrollen ohne den Einsatz von Hubwagen beschränkt hat. Eine visuelle Kontrolle kann nur dann sinnvoll sein, wenn diese so durchgeführt wird, dass der Baum auch tatsächlich in seinen Einzelheiten in Augenschein genommen werden kann. Wenn dies vom Boden aus nicht möglich ist, so müssen Hilfsmittel eingesetzt werden, um auch das Astwerk der Krone in Augenschein zu nehmen. Die Beschränkung auf die Notwendigkeit einer Kontrolle vom Boden aus führte sonst zu dem absurden Ergebnis, dass das Unterlassen der Kontrolle unbeachtlich wäre, wenn vom Boden aus ohnehin keine Feststellungen getroffen werden könnten. In derartigen Fällen ist es deshalb notwendig, Hilfsmittel, wie etwa Hubwagen, bei den Kontrollen einzusetzen.“

Hier ist das OLG von den Grundregeln der Verkehrssicherungspflicht abgewichen. Wenn nicht alle Voraussetzungen, wie sie von der Rechtsprechung für die Annahme einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (siehe roter Faden) aufgestellt wurden, geprüft werden, kommt es leicht zu Fehlentscheidungen wie der vorliegenden. Zu einem absurden Ergebnis – solche Begründungen wirken schnell wie ein Bumerang – führt nämlich erst die Argumentation des OLG Brandenburg, denn in der Folge müssten im alleenreichen Brandenburg sämtliche hohen Bäume, wie sie tausendfach die Straßen säumen, mit dem Hubwagen untersucht werden. Dies ist wirtschaftlich absolut unzumutbar. Die Verkehrssicherungspflicht besteht nach der ständigen Rechtsprechung des BGH „nicht uneingeschränkt (Aktuelle BGH-Entscheidungen zur Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen: VI ZR 311/11, vom 2. Oktober 2012 und III ZR 352/13, vom 6. März 2014). Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt.“ Das OLG Brandenburg hat die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Baumkontrollen bei seiner Entscheidung völlig außer Acht gelassen.

Richtig war nur der Ansatz des Gerichts, dass es dem exponierten Standort des Baumes besondere Bedeutung zugemessen hat. Die Linde stand unmittelbar an einem Fußgängerüberweg zum Sportstadion. Dann gilt eine erhöhte Verkehrssicherungspflicht, auch wenn ein Pkw beschädigt wurde. Ebenfalls richtig war der Ansatz des Gerichts, nach Anhaltspunkten für die Erkennbarkeit von Schäden an der Linde zu suchen, wobei es immer auf die Vorhersehbarkeit des Schadenseintritts ankommt und nicht darauf, was man nach dem und durch den Unfall in Erfahrung bringt. Hier ist das Gericht jedoch einen sehr umstrittenen Weg gegangen, denn es hat von dem Zustand der umgebenden Bäume auf den Zustand des streitbetroffenen Baumes geschlossen. Das ist nicht ohne weiteres zulässig. Vor allem durfte das Gericht nicht den Bericht des beklagten Landes für die betreffende Straße zum Beweis heranziehen, in dem stand: „Totholzschnitt erforderlich“. Durch das Vorhandensein mehrerer Bäume mit Totholz in der Umgebung und der erforderlichen Anordnung der Sicherung durch Schnittmaßnahmen sind die notwendigen Anhaltspunkte für eine eingehende Untersuchung des speziellen Baumes, aus dem der Astausbruch erfolgte, noch nicht gegeben. Jeder Baum entwickelt sich anders auch innerhalb eines Bestandes und erst recht an einer Straße, wo innerhalb kürzester Entfernung die Standortbedingungen wechseln.

Wenn das Gericht als unstreitig feststellt, dass vom Boden aus bei dem streitbetroffenen Baum Totholz nicht unbedingt erkennbar war, also keine besonderen Verdachtsmomente ersichtlich waren, so kann es solche Verdachtsmomente nicht allein aus dem Zustand der Nachbarbäume konstruieren.

Das Urteil des OLG Brandenburg vom 7. März 2000 ist vor dem Hintergrund der von der Rechtsprechung vor allem des BGH festgelegten Grundsätze zur Verkehrssicherungspflicht als Fehlurteil anzusehen. In einem erneuten, ähnlich gelagerten Fall sollte eine klärende Entscheidung des BGH herbeigeführt werden (siehe hierzu die BGH-Entscheidung III ZR 352/13, vom 6. März 2014), weil das Urteil des OLG Brandenburg der Rechtsprechung von drei anderen Oberlandesgerichten widerspricht. Die Urteile des OLG Düsseldorf und Köln wurden bereits zitiert, aber auch das OLG Hamm ist in mehreren Urteilen davon ausgegangen, dass der Einsatz eines Hubwagens nicht zur Regelkontrolle gehört und dann nicht gefordert werden kann, wenn äußerlich an dem betreffenden Baum keine verdächtigen Umstände vom Boden aus erkennbar sind. In diese Richtung hat auch das OLG Celle in einem Urteil vom 17. April 2002 entschieden, wenn es im Leitsatz seines Urteils feststellt: „Eine eingehende fachmännische Untersuchung ist nur dann erforderlich, wenn Umstände vorliegen, die der Erfahrung nach auf eine besondere Gefährdung hindeuten. Wies ein Baum insoweit keine Auffälligkeiten auf, haftet die Gemeinde auch dann nicht für die Beschädigung eines Kfz durch Bruch eines Kronenastes, wenn wegen der Besonderheiten des Baumbestandes (hier: Platanen) bei der Sichtkontrolle eine mögliche Erkrankung oder Schädigung der Baumkrone nicht festgestellt wurde.“

Auf das Fehlurteil des OLG Brandenburg berufen sich heute bereits viele Geschädigte, wenn es darum geht, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Baumeigentümers darzulegen. Es gab auch schon früher Ansätze zu einer derartigen überzogenen Rechtsprechung in Thüringen, wo das OLG Jena in einem Urteil vom 20.9.1994 in seinen Leitsätzen zur Verkehrssicherungspflicht einer Gemeinde für Risikobäume feststellte:

„1. Die Verkehrssicherungspflicht einer Gemeinde verpflichtet zur konkreten Überprüfung von Bäumen, von denen eine besondere Gefährdung ausgeht.

2. Dabei gehört zu den zumutbaren Maßnahmen bei solchen Risikobäumen (hier: 20 m hohe und 60 Jahre alte Linde in der Nähe eines Friedhofseinganges) das Anstellen einer Leiter oder die Benutzung eines Hubwagens, um festzustellen, dass keine konkrete Gefährdung des Verkehrs besteht, z. B. durch in der Baumkrone befindliche, morsche Äste. Eine Überprüfung auf Sicht ist nicht ausreichend.“

Selbst das zeitweise sehr baumfreundliche OLG Koblenz hat in einer neueren Entscheidung die Verpflichtung einer Gemeinde zum Einsatz eines Hubwagens bei der Baumkontrolle gefordert und die bloße Sichtkontrolle vom Boden aus für nicht ausreichend erklärt. In diesem Zusammenhang muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass die Sichtkontrolle bei großen Bäumen mit einem Fernglas durchgeführt werden muss. Werden ohne Fernglas Defekte übersehen, die mit dem Fernglas hätten festgestellt werden können und die für einen späteren Unfall ursächlich sind, so ist dem Baumkontrolleur Fahrlässigkeit vorzuwerfen.

Häufigkeit der Baumkontrollen

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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Bäume „nach dem derzeitigen Stand der Technik und Erfahrungen“ in „angemessenen Abständen auf Krankheitsbefall zu überwachen“. Weder in seinem grundsätzlichen Urteil vom 21.1.1965 noch im späteren Pappelurteil vom 4.3.2004 legte der BGH den „angemessenen Zeitabstand“ fest. Aber kurz darauf hat der BGH in seinem Urteil vom 2.7.2004 unter Hinweis auf den bereits genannten roten Faden ausdrücklich klar gestellt:

„Wie oft und in welcher Intensität solche Baumkontrollen durchzuführen sind, lässt sich nicht generell beantworten. Ihre Häufigkeit und ihr Umfang sind von dem Alter und Zustand des Baumes sowie seinem Standort abhängig (Breloer, Wertermittlungsforum 2004, 3, 8).“

Entgegen der Ansicht einzelner Oberlandesgerichte fordert der BGH also keine zweimal jährlichen Baumkontrollen. (AFZ-Der Wald, 16/2009, 876) Stets geht es darum, ob der Baumkontrolleur aus fachlicher Sicht im Rahmen der an diesem Standort erforderlichen Baumkontrolle Krankheitsanzeichen eines Baumes übersehen hat, die darauf hindeuten, dass der Baum umstürzen oder Äste aus seiner Krone brechen werden. Wenn ein Ast ausbricht, gibt es – von ungewöhnlicher Witterungsverhältnissen und äußerlichen Einwirkungen abgesehen – stets irgendwelche Anzeichen und Veränderungen, die auf den bevorstehenden Ausbruch hinweisen. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass diese Anzeichen von jedem Baumkontrolleur zu erkennen sind und vor allem erkannt werden mussten, dass er also fahrlässig gehandelt hat. Es kommt auf die im roten Faden genannten Begleitumstände an, die auch dazu führen können, dass vorhandene Defektsymptome in manchen Fällen nicht erkannt bzw. nicht richtig beurteilt werden können. In solchen Fällen handelt der Baumkontrolleur nicht fahrlässig.

Das wird in der derzeitigen strengen Rechtsprechung einzelner Oberlandesgerichte (vgl. dazu die jüngsten Urteile unter Verkehrssicherungspflicht in www.baeumeundrecht.de) nicht beachtet, wenn beispielsweise das OLG Rostock in einem Urteil vom 10.7.2009 fordert, dass bei Baumkontrollen auch kleinere Pilzfruchtkörper nicht übersehen werden dürften. Das OLG Rostock erhebt zudem wieder die Forderung nach zweimal jährlicher Kontrolle, und zwar ungeachtet der eindeutigen Absage des BGH an diese Forderung. Dagegen hat das OLG Brandenburg bereits in einem Urteil vom 18.10.2007 die Forderung nach zweimal jährlicher Kontrolle unter Hinweis auf das BGH-Urteil abgelehnt.

Ebenso wenig wie es eine generelle Forderung nach zweimal jährlicher Baumkontrolle geben kann, kann es aber auch eine Feststellung geben, dass generell keine zweimal jährlichen Baumkontrollen notwendig sind. Es gibt Ausnahmen, wenn beispielsweise der Baum von einer Krankheit befallen ist, die außergewöhnlich schnell fortschreitet und in kurzer Zeit die Sicherheit des Baumes gefährden kann. Vor Jahren war dies ein Thema beim so genannten Ulmensterben, wo die Rechtsprechung in Einzelfällen eine je nach Befall notwendige zweimal jährliche Baumkontrolle forderte. Heute ist die Massaria-Krankheit eine ernst zu nehmende Bedrohung für die Verkehrssicherheit der Straßenbäume, wobei es in relativ kurzer Zeit zu einem Abbruch von Ästen kommen kann. Hinzu kommt, dass der Befall durch die Massaria-Krankheit vom Boden aus oft schwer zu erkennen ist, weil vorzugsweise die Astoberseite befallen ist. Hier muss gegebenenfalls nach dem Auftreten der Krankheit die Sichtkontrolle mit dem Hubsteiger erfolgen. Diese Beispiele zeigen einmal mehr, dass es für die Baumkontrolle keine starren Regeln geben kann. Es kommt vielmehr auf die fachliche Kompetenz des Baumkontrolleurs an.

Die Vorhersehbarkeit des Schadens

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Der Sachverständige muss zu der – haftungsbegründenden – Vorhersehbarkeit des Schadens Aussagen treffen.

Wenn das Unglück geschehen ist, lässt sich der Schaden oft schnell erklären, und nur allzu leicht wird hierbei die Feststellbarkeit des Schadens mit seiner Vorhersehbarkeit gleichgesetzt. Das ist ein schwerwiegender Fehler, der immer zu Lasten des Verkehrssicherungspflichtigen geht und natürlich auch zu Lasten der Bäume. Hätte der gleiche Sachverständige unter dem gleichen Baum vielleicht ein paar Wochen vor dem Unfall gestanden und wäre um seine Stellungnahme gebeten worden, so wäre diese unter Umständen völlig anders ausgefallen, weil die durch den Unfall zutage getretenen Schäden noch verdeckt waren.

Diese Problematik hat der BGH bereits in einem Urteil vom 21.2.1961 angesprochen. Dort heißt es: „Der Umfang der gebotenen Überwachung und Sicherung kann nicht an dem gemessen werden, was zur Beseitigung jeder Gefahr erforderlich gewesen wäre; denn es ist nicht möglich, den Verkehr völlig gefahrlos zu gestalten. Deshalb kann aus der Tatsache… des Unfalls allein nicht auf ein Pflichtversäumnis geschlossen werden.“

Zur Vorhersehbarkeit der Schadens hat das OVG Münster in einem Urteil vom 8. Oktober 1993 treffend festgestellt: „Ob ein alter und bereits vorgeschädigter Baum etwa künftig bei Unwetter oder Stürmen umstürzen, auseinanderbrechen oder jedenfalls Äste von beachtlichem Gewicht verlieren und damit Gefahren für Personen und Sachgüter verursachen wird, lässt sich in aller Regel nicht mit an Sicherheit grenzender oder auch nur überwiegender Wahrscheinlichkeit prognostizieren.“

Hier hatte sich das OVG Münster mit Fragen des Baumschutzes zu befassen, wobei es überzogenen Sicherheitsanforderungen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht eine Absage erteilte und insbesondere Kronenrückschnitte, die zu einer Verstümmelung des Baumes führen, ablehnte.

Hinsichtlich der Vorhersehbarkeit des Schadens ist auch zu unterscheiden zwischen einer theoretischen und einer konkreten Gefahr.

Das OLG Köln hatte beispielsweise in einem Urteil vom 11. Juni 1992 Feststellungen zur Vorhersehbarkeit von Schäden getroffen, die für den Baumkontrolleur vor Ort wichtig sind. Das OLG Köln sah allein im Alter eines Baumes (hier von etwa 100 Jahren bei einer Eiche) noch keinen Grund zur Durchführung besonderer Kontrollmaßnahmen. Dazu gibt es heute eine teils abweichende Rechtsprechung, auf die zum Thema Alter näher eingegangen wird. Das OLG Köln begründete die Abweisung der Schadensersatzklage damit, dass kein Grund zu einer eingehenden Untersuchung bestand und bei einer Sichtkontrolle das spätere Herabstürzen des vollbelaubten Astes nicht vorhersehbar war. In diesem Zusammenhang wird auch auf das Phänomen des Sommerbruchs grüner Äste verwiesen. Das OLG Köln hatte im Gegensatz zu seiner ansonsten strengen Rechtsprechung in seinem Urteil nicht nur erstmals Bäume unter Umweltaspekten betrachtet, sondern auch hinsichtlich der Vorhersehbarkeit des Schadens die für den Baumkontrolleur vor Ort wichtige Entscheidung zwischen theoretischer und konkreter Gefahr getroffen. In den Entscheidungsgründen heißt es dazu:

„Der Umstand, dass der Ast in den Luftraum über der Straße hineinragte und relativ groß war, vermag für sich allein keine Verpflichtung zur Beseitigung zu begründen. Die gegenteilige Ansicht würde dazu führen, dass alle Äste und Zweige von Bäumen auch dann, wenn sie gesund und nicht erkennbar absturzgefährdet sind, vorbeugend abgesägt werden müssten, da zumindest die theoretische Gefahr besteht, dass sie Straßenbenutzer schädigen können. Eine so weitgehende Verpflichtung zum Beschneiden von Bäumen besteht jedoch nicht. Sie würde weit über das hinausgehen, was dem Verkehrssicherungspflichtigen zugemutet werden kann und würde auch nicht der Bedeutung gerecht, die den Bäumen unter Umweltaspekten zukommt.“

Wie im Gegensatz dazu die konkrete Gefahr zu beurteilen ist, hat das VG Düsseldorf in einem Urteil vom 4. Mai 1994 im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht bei geschützten Bäumen – vergleichbar mit dem genannten Urteil des OVG Münster – ausgeführt. Danach setzt eine konkrete Gefahr voraus, dass der Eintritt eines Schadens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Wann diese Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit der Vorhersehbarkeit von Schäden durch Bäume vorliegt, beurteilte das Verwaltungsgericht nach baumfachlichen Aspekten, in diesem Fall mit Hilfe von VTA.

Ebenso hatte das OLG Düsseldorf in dem bereits zitierten Urteil vom 27. Oktober 1994 zum Astausbruch aus einer Pappel entschieden, dass sich eine Verletzungsgefahr nicht bereits durch die „ generelle ‚Ungeeignetheit‘ einer Baumart“ manifestiere, sondern „erst durch die konkrete Gefahr, die von einem Baum ausgeht. Allein der ‚soziale Abstieg‘ indiziert eine solche Maßnahme (hier: prophylaktischer Kronenrückschnitt, Anm. d.Verf.) nicht, konkrete weitere Anhaltspunkte müssen hinzukommen.“ (Siehe hierzu die BGH-Entscheidung III ZR 352/13, vom 6.März 2014)

Höhere Gewalt ab Windstärke 8?

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Die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen endet in jedem Fall dort, wo der durch den Baum eingetretene Schaden auf höhere Gewalt zurückzuführen ist. Über das Vorliegen höherer Gewalt im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen herrscht nicht nur bei den Praktikern vor Ort manchmal Unsicherheit. Falsch ist die Annahme, dass es sich bei Unfällen ab Windstärke 8 bereits um höhere Gewalt handle, die allgemein von der Haftung entbinde. Die Konsequenz dieser Ansicht würde dazu führen, dass für einen erkennbar bruchgefährdeten Baum keine Haftung bestünde, sofern er bei Sturm ab Windstärke 8 versagt. Jeder Verkehrssicherungspflichtige könnte also insgeheim darauf hoffen, dass ein Sturm über Windstärke 8 aufkommt und er wäre aller Pflichten für die unsicheren Kandidaten unter seinen Bäumen enthoben.

Unter höherer Gewalt ist generell ein unabwendbares Ereignis zu verstehen, das auch durch Anwendung äußerster, den Umständen nach möglicher und dem Betreffenden zumutbarer Sorgfalt nicht zu vermeiden war.

Höhere Gewalt ist ein objektiver Begriff, der im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen immer nur im Sinn des zitierten Grundsatzurteils des BGH vom 21.1.1965 ausgelegt werden kann. Folglich beruhen Schäden an Bäumen, die bei Sturm ab Windstärke 8 umstürzen, nicht von vorneherein auf höherer Gewalt, sondern nur dann, wenn das Umstürzen des Baumes ein nicht vorhersehbares Ereignis darstellt, dem mit angemessenen und zumutbaren Mitteln nicht rechtzeitig begegnet werden konnte. Im Ergebnis bleiben also allein die fachlichen Kriterien und nicht die Windstärke für die Vorhersehbarkeit von Schäden und die daran geknüpfte Haftungsbegründung entscheidend. Nach dem genannten Urteil des BGH kommt es dabei auf den jeweiligen Stand der Technik und Erfahrungen an, mit dem sich der Praktiker vor Ort ständig aufs Neue vertraut machen muss. Wenn dagegen ein Baum beispielsweise durch Materialverschlechterung ohne äußerlich erkennbares Symptom bei Vorliegen der Optimalgestalt versagt, liegt höhere Gewalt vor, unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt Wind herrschte oder nicht und welche Windstärke herrschte. Andrerseits können bei Sturm auch gesunde Bäume brechen, ohne dass die Bäume aus diesem Grund – wie es heute vielfach wegen überzogener Sicherheitsanforderungen und aus übergroßer Angst vor Haftungsfolgen geschieht – bis auf ein Gerippe zurückgeschnitten beziehungsweise gekappt werden müssen. Eine fachgerechte Baumpflege, auf die im zweiten Teil und auch im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht für Naturdenkmale näher eingegangen wird, führt auch bei älteren und vorgeschädigten Bäumen zu einem ausreichend verkehrssicheren Zustand, der Haftungsfolgen ausschließt, selbst wenn der Baum bei Sturm versagen sollte.

Verkehrssicherungspflicht und Lichtraumprofil

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a. Das ökologische Interesse an der Erhaltung des Baumbestandes

Die Urteile zur Freihaltung des Lichtraumprofils über der Straße fallen in der Regel unter die als baumfreundlich zu bezeichnende Rechtsprechung. Das zeigt bereits ein Urteil des OLG Schleswig vom 7. April 1993.

Auf einer Straße von geringer Verkehrsbedeutung am Ortsrand von Kiel war ein Lkw gegen einen unterhalb von 4 m Höhe in die Fahrbahn ragenden Ast gestoßen und beschädigt worden. Das Gericht verneinte eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der beklagten Stadt, weil die Straße in dem abgelegenen Vorort erfahrungsgemäß überwiegend den Anliegern diene und der Lkw-Fahrer den deutlich in die Fahrbahn ragenden Ast habe erkennen und ihm ausweichen können. Das Gericht fordert in dem Urteil sogar von dem Lkw-Fahrer, dass er bei Entgegenkommen eines anderen Fahrzeugs seine Geschwindigkeit weiter hätte verringern und notfalls anhalten müssen, falls er einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu dem Baum nicht hätte einhalten können. Entscheidende Bedeutung kommt der nachfolgenden Passage aus den Urteilsgründen zu:

„Die Verkehrssicherungspflicht erfordert es nicht, den Luftraum über einer Straße schlechthin in der nach den §§ 32 Abs. 1 Nr. 2 StVZO, 22 Abs. 2 StVO für Fahrzeuge geltenden maximal zulässigen Höhe von 4 m freizuhalten …. Wie in den letzten Jahren zunehmend ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist, besteht an der Erhaltung des Baumbestandes auch an öffentlichen Straßen ein allgemeines Interesse, so dass zwischen den Belangen der Verkehrssicherheit und dem ökologischen Interesse an der Erhaltung des Baumbestandes abzuwägen ist…

Hierbei ist den ökologischen Interessen an Straßen von nur geringer Verkehrsbedeutung in höherem Maß Rechnung zu tragen, als an Straßen von erheblicher Verkehrsbedeutung…

Bestimmend für die Verkehrsbedeutung sind die Umstände des Einzelfalles, die Art und das Maß der Verkehrssicherungspflicht nach den gegebenen Verkehrsverhältnissen wie nach der Art des Weges, seiner Verkehrswichtigkeit, der Größe einer Ortschaft und ähnlichem festlegen.“

b. Lichtraumprofil

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil vom 17.5.1994 deutlich gemacht, dass es keine rechtliche Vorschrift gibt, welche besagt, dass der Luftraum über einer Straße in jedem Fall bis zu einer Höhe von 4 m frei von Hindernissen und speziell von Baumästen gehalten werden muss. Die Höhenbegrenzung von Fahrzeugen auf 4 m in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) ist keine solche Vorschrift. Es gilt vielmehr die allgemeine Verkehrssicherungspflicht, und diese richtet sich insbesondere nach der Höhe des Verkehrsaufkommens.

Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm lag folgender Fall zugrunde. Ein Möbel-Lkw hatte auf einer innerörtlichen Wohnstraße in Essen einen leicht in die Fahrbahn geneigten Stamm einer Platane in 3,50 m Höhe gestreift. Den hierbei entstandenen Schaden an dem Lkw sollte die beklagte Stadt wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht ersetzen. Das Landgericht Essen wies jedoch die Klage des Geschädigten ab. Nach Ansicht des Gerichts hätte der Fahrer des Möbel-Lkw dem erkennbaren Hindernis ausweichen müssen. Es bestehe keine generelle Pflicht, den Luftraum über der Straße in 4 m Höhe freizuhalten. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des Lichtraumprofils richte sich jeweils nach der Verkehrsbedeutung der Straße.

Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte dieses Urteil des Landgerichts Essen unter grundsätzlichen Überlegungen zur Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des Lichtraumprofils:

„Zwar umfasst die Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Straßen nach anerkannter Rechtsprechung grundsätzlich auch den Schutz vor Gefahren, die von Straßenbäumen ausgehen, deren Stämme oder Äste in den Luftraum über die Fahrbahn ragen und zu Beschädigungen an Fahrzeugen mit hohen Aufbauten führen können. Dabei sind jedoch die an den Sicherungspflichtigen zu stellenden Anforderungen nicht für alle Straßen gleich hoch bemessen.

Etwas anderes folgt insbesondere nicht aus § 32 Abs. 1 Satz 2 StVZ, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Die in dieser Regelung festgesetzte Höhenbegrenzung der Fahrzeuge auf vier Meter betrifft eine zulassungsrechtliche Bauvorschrift und besagt nicht, dass der Luftraum über einer Straße in jedem Fall bis zu dieser Höhe frei von Hindernissen – und damit auch von Baumstämmen und Ästen – gehalten werden muss (BGH VersR 68, 72; ständige Rspr. des Senats, zum Beispiel 9 U 113/91; so auch OLG Schleswig VersR 94, 359; OLG Köln VersR 91, 1265).

Der Umfang der gebotenen Sicherungsmaßnahmen hängt vielmehr – wie auch in den sonstigen Fällen der Verkehrssicherungspflicht – maßgebend von der Sicherheitserwartung der Verkehrsteilnehmer ab, soweit diese sich im Rahmen des Vernünftigen hält. Diese Erwartung ist aber nicht auf lückenlose Gefahrlosigkeit gerichtet, da ein solcher Zustand auch nach der Einsicht der durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer praktisch nicht erreicht werden kann. Der Sicherungspflichtige muss daher auch in diesem Bereich nur diejenigen Gefahren ausräumen oder vor ihnen warnen, die für einen durchschnittlich sorgfältigen Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind, und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag.

Aufgrund dieser notwendigen Begrenzung der gebotenen Sicherheitsvorkehrungen kann von den Führern außergewöhnlich hoher Fahrzeuge – wie etwa von Möbelwagen – auf Straßen von geringer Verkehrsbedeutung erwartet werden, dass sie ihre Aufmerksamkeit auch auf den „Luftraum“ der von ihnen befahrenen Strecke richten und vorsorglich einen seitlichen Sicherheitsabstand zu den am Straßenrand stehenden Bäumen einhalten. Daher dürfen die Fahrer solcher Fahrzeuge nur bei verkehrswichtigen Straßen davon ausgehen, dass keine Straßenbäume mit ihrem Stamm oder einem Ast in das Lichtraumprofil der Fahrbahn hineinragen oder dass sie vor derartigen Hindernissen zumindest besonders gewarnt werden.

Eine solche Differenzierung ist auch sachgerecht, da die Konzentration der Kraftfahrer auf verkehrsärmeren Straßen nicht in demselben Maße durch das Verkehrsgeschehen beansprucht wird wie dies auf Strecken mit hohem Verkehrsaufkommen der Fall ist. Daher hat der Senat der Funktion und Verkehrsbedeutung der jeweiligen Straße auch bei der Freihaltung des Lichtraumprofils von Hindernissen seit langem eine wesentliche Bedeutung beigemessen.

Die hiergegen gerichteten Einwände der Kläger geben keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Weder die allgemeine Verkehrszunahme noch die besondere Verkehrsdichte in Nordrhein-Westfalen hindern die Fahrer besonders hoher Fahrzeuge daran, bei der Benutzung verkehrsärmerer Straßen ein besonderes Augenmerk auf den ihnen zur Verfügung stehenden Lichtraum zu richten und ihre Fahrweise entsprechend einzurichten.“

Das OLG Brandenburg hat in einem Urteil vom 16.5.1995 eine ähnliche Richtung eingeschlagen, in dessen Leitsätzen es heißt:

„Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht richtet sich nach der Erkennbarkeit der Gefahrenquelle, dem Grad der Frequentierung und der Breite der Straße, der Höhe des in den Fahrbahnluftraum hineinragenden Gegenstands und der konkret an dieser Stelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Eine besondere Verkehrssicherungspflicht (Amtspflicht) zur Entfernung eines Astes oder zur Aufstellung eines Warnschilds besteht nicht, wenn der Ast bei einer 8 m breiten geradeaus verlaufenden Landstraße erster Ordnung in einer Höhe von 3,80 m 24 cm und erst in einer Höhe von über 4 m weitere 1,75 m bis 2 m in die Fahrbahn hineinragt.“

In den Entscheidungsgründen wird das Maß der Verkehrssicherungspflicht bei Straßenbäumen hinsichtlich des Lichtraumprofils wie folgt abgestuft:

„Das Maß der Straßenverkehrssicherungspflicht muss umso höher sein,

  • je weniger erkennbar die Gefahrenstelle ist,
  • je befahrener die Straße ist, was auch seinen Ausdruck findet in der Einordnung der Straße als Bundes- oder Landesstraße,
  • je schmaler die Straße ist, weil dann das Ausweichen vor der Gefahrenstelle erschwert und mit der Gefahr, auf die Gegenfahrbahn zu geraten verbunden ist,
  • je niedriger der hineinragende Ast ist, weil dann die Gefahr einer Kollision mit Aufbauten um so größer ist, je höher die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist, weil dann eine angemessene Reaktion im Sinne eines Ausweichens oder Abbremsens um so weniger möglich ist.“

Das Urteil des OLG Dresden vom 2. Oktober 1996 befasst sich in ähnlicher Weise und noch eingehender mit den Anforderungen, die einerseits an das Freischneiden des Lichtraumprofils und andererseits an das Verhalten des Kraftfahrzeugfahrers auf Straßen mit Bäumen zu stellen sind. Hinsichtlich der Einhaltung des Lichtraumprofils gehen sowohl der Bundesgerichtshof (BGH VersR 1968, 72; BGHZ 60,54) wie auch die genannten Oberlandesgerichte davon aus, dass es die Verkehrssicherungspflicht nicht erfordert, den Luftraum über Straßen generell in der nach § 32 Abs.1 Nr.2 StVZO für Fahrzeuge geltenden maximalen Höhe von 4 m freizuhalten. Das OLG Dresden legt sich in seinen Entscheidungsgründen nicht auf die letztlich erforderliche Höhe mit Zahlenangaben fest. Es steht an keiner Stelle, dass für das Lichtraumprofil beispielsweise bis zu einer Höhe von 4,5 m Äste entfernt werden müssen. Es heißt nur, dass ein Fahrzeug mit 4 m Höhe die Straße gefahrlos benutzen können muss. „Bis zu welcher Höhe der Verkehrsraum von hereinragenden Ästen freizuhalten ist, hängt vielmehr von der Verkehrsbedeutung der Straße ab. Ihre Verkehrssicherheit und das ökologische Interesse an der Erhaltung alten Baumbestands sind gegeneinander abzuwägen.“

c. Anhaltepflicht

Das Schleswig-Holsteinische OLG hatte in seinem genannten Urteil vom 7. April 1993 bei einer Straße mit geringem Verkehr verlangt, dass der Fahrer notfalls hätte anhalten müssen, wenn die Straße bei entgegenkommendem Verkehr nicht breit genug zum Ausweichen gewesen sei. Das OLG Dresden hat diese Anhaltepflicht sogar dem Kraftfahrzeugführer auf einer Bundesstraße auferlegt. Er hätte, „wenn er wegen des Gegenverkehrs an dem Baum nicht mehr mit einem ausreichendem Abstand vorbeifahren konnte, vorher anhalten müssen, um den grob sorgfaltswidrig handelnden Überholer passieren zu lassen.“ Das OLG Dresden sah ein Mitverschulden in dem Nichtanhalten und rechnete auch die durch den hohen Aufbau des Lkw gesteigerte Betriebsgefahr hinzu, so dass sich der geltend gemachte Schadensersatzanspruch letztlich um 50 % minderte.

Die schiefstämmige, alte Linde wird immer wieder angefahren, obwohl sie von weitem zu erkennen ist und man außerdem auf die Problematik hinweist. Die beiden Aufnahmen zeigen die Entwicklung der Schadstelle von 2008 bis 2019.

Der Zivilprozess ist ein Beweisprozess. Insofern hat sich der Lkw-Fahrer, wenn er sich entlasten will, nachzuweisen, dass er dem in die Fahrbahn ragenden Ast nicht ausweichen und nicht anhalten konnte. Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass derjenige, der auf ein Hindernis auffährt, entweder zu schnell oder unaufmerksam gefahren ist. Die Grundlagen einer solchen tatsächlichen Vermutung muss der mit einem in die Fahrbahn ragenden Ast kollidierende Kfz-Fahrer erschüttern, das heißt er muss in diesem Ausnahmefall seine Unschuld beweisen.

Das Mitverschulden des Geschädigten kann in einem unterschiedlichen Prozentsatz seinen Schadensersatzanspruch mindern, es enthebt den Baumeigentümer aber nicht von seiner grundsätzlichen Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des Lichtraumprofils. Diese Verkehrssicherungspflicht beinhaltet zwar nicht notwendigerweise, dass der Luftraum an allen Straßen gleichermaßen völlig in der für Fahrzeuge mit Maximalabmessungen notwendigen Höhe freizuhalten ist. Mit zunehmendem Verkehrsaufkommen sind aber strengere Maßstäbe an die Verkehrssicherungspflicht anzulegen. Dazu führt das OLG Dresden aus:

„Bei Straßen von erheblicher Verkehrsbedeutung, namentlich Bundesstraßen und Ausfallstraßen … erscheint es im Interesse der Verkehrssicherheit und des Schutzes der Rechtsgüter der Verkehrsteilnehmer unabweislich, dass der Verkehrsraum in dem Umfang, in dem er von Fahrzeugen mit den gesetzlich maximal zulässigen Abmessungen in Anspruch genommen werden kann, von Bäumen und Ästen ebenso wie von sonstigen störenden Einflüssen freigehalten wird … Dieser Schutz gilt für den Luftraum (,Lichtraum‘) über der Fahrbahn, wobei der Lichtraum über der Fahrbahngrenze nicht lotrecht, sondern nach dem Winkel zu ermitteln ist, … so dass auch der über dem äußeren rechten, nur noch vom Bordstein begrenzte Fahrbahnrand gelegene Luftraum verkehrsicherungspflichtig ist.“

Diese Feststellung des Gerichts ist für die Praxis beim Freischneiden des Lichtraumprofils, das heißt für die dabei vorzunehmenden Abmessungen, von Bedeutung.

d. Warnschilder

Beachtung verdient auch die nur in einem Nebensatz enthaltende Klarstellung des OLG Dresden, dass Warnschilder mit Hinweis auf ein eingeschränktes Lichtraumprofil, wie sie durch die StVZO zugelassen sind, nicht geeignet sind, die Haftung des Baumeigentümers für in die Fahrbahn hineinragende Äste auszuschließen. Das wird vielfach angenommen, weil Gerichte hier ein Mitverschulden des Kfz-Fahrers – je nach Fallgestaltung – angenommen haben. Aber allein durch Hinweisschilder lässt sich grundsätzlich keine Haftung ausschließen, sondern der Umfang der Haftung kann unter Umständen eingeschränkt werden. Das gilt in anderen Fällen der Verkehrssicherungspflicht ebenso für das Schild „Betreten auf eigene Gefahr“ wie für andere Hinweisschilder auf mögliche Gefahren. Allerdings, so führt das OLG Dresden mit Blick hier auf die Bäume an Bundesstraßen aus, „gelten für Überführungen mit niedrigen Durchfahrten insoweit Besonderheiten, weil sie deutlicher wahrnehmbar sind und weil vor ihnen auf leichtere und wirkungsvollere Art, nämlich durch Anbringen von Markierungen und Maßgaben gewarnt werden kann. Bei Bäumen bleibt dagegen, weil Hinweise durch Warnschilder nicht ausreichen (OLG Köln a.a.O., BGH VersR 1968, 73) und fahrbahnbeschränkende Maßnahmen regelmäßig ausscheiden, als einziges Mittel die Entfernung des Hindernisses“.

Das OLG Dresden, das offensichtlich falsche Schlussfolgerungen befürchtete, sah sich sofort im Anschluss an diese Feststellung in den Urteilsgründen zu dem Hinweis veranlasst: „Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass zur Beachtung der Verkehrssicherungspflicht des ,Lichtraums’ ein generelles Fällen von Alleebäumen – auch entlang von Bundesstraßen – nicht erforderlich ist.“

Praxis der Baumbeurteilung – Baumpflege*

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a. Pflege von Straßenbäumen

Baumpflege hat in erster Linie dem Wohl der Bäume zu dienen, dies leitet sich schon alleine aus der Wortbedeutung ab. So besteht durchaus die Gefahr, dass Maßnahmen des Baumschnitts einen Baum nachhaltig schädigen und manchmal sogar die Verkehrssicherheit beeinträchtigen. Dies gilt selbstverständlich auch für unsere Straßenbäume, die von Anbeginn sehr widrige Existenzbedingungen (naturferne, stressende Standraumsituationen) haben und es nur selten schaffen ein starkes Abwehrsystem aufzubauen, weshalb sie vorzeitig altern und wesentlich früher sterben, als Bäume auf natürlichen oder naturnahen Standorten.

Die Baumkrone trägt den Assimilationskörper (Masse der Blätter), also den Teil des Baumes der die Energie liefert. Eingriffe am Baumkörper, wie beispielsweise Astentnahmen, müssen bei einem dauergestressten Straßenbaum als physiologisch problematisch eingestuft werden. Gravierende Schäden werden insbesondere durch Kappung oder andere zu umfangreiche Schnittmaßnahmen verursacht, sodass bei diesen Maßnahmen nicht von Baumpflege gesprochen werden kann.

Fachgerechte Baumpflege ist mehr als nur Äste absägen! Baumpflege setzt Qualifikation und Kenntnis der Regelwerke (z. B. ZTV-Baumpflege) voraus!
Das fahrbahnseitige Lichtraumprofil (maximal 4,5 Meter Höhe – Autobahnen, Bundesstraßen, stark frequentierte Straßen), beispielsweise, muss geschaffen werden, allerdings nur im zwingend erforderlichen Maße. Bei untergeordneten Straßen muss vom Verkehrsteilnehmer erwartet werden, dass er sich auf Hindernisse einstellt, notfalls anhält, den Gegenverkehr passieren lässt, um dann das Hindernis zu umfahren; ein Lichtraumprofil von 4,5 Metern ist hier nicht zwingend erforderlich.

b. Pflege beginnt mit dem Pflanzen

Fachgerechte Pflege von Straßenbäumen beginnt bei der Auswahl der zu pflanzenden Bäume, der richtigen Pflanzung und setzt sich fort mit dem an den standörtlichen Erfordernissen ausgerichteten Erziehungs- und Aufbauschnitt. Bei korrekter Umsetzung können dabei keine größeren Schnittverletzungen erzeugt werden oder zu umfangreiche Schnitteinsätze entstehen, weil die notwendigerweise zu entfernenden Äste zu einem Zeitpunkt beseitigt werden, da sie noch geringe Durchmesser aufweisen und beim jeweiligen Schnitteinsatz nur wenige Äste entnommen werden. Nach etwa 20 Jahren ist das endgültige Lichtraumprofil geschaffen, unter größtmöglicher Schonung des Baumes. Derart geschonte Bäume verursachen im Vergleich geringe baumpflegerische Folgekosten.

* Texte von Marko Wäldchen, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, FLL-Regelwerksausschussmitglied Baumkontrollen/Baumuntersuchungen, Mitbegründer des BAUMZENTRUM’s, langjährige Zusammenarbeit mit Helge Breloer

Praxis der Baumbeurteilung – Kappung*

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Die Kappung von Bäumen wird in der ZTV-Baumpflege wie folgt definiert: „Umfangreiches, baumzerstörendes Absetzen der Krone ohne Rücksicht auf Habitus und physiologische Erfordernisse. (Keine fachgerechte Maßnahme).“ Daher gilt der Grundsatz: Das Kappen von Bäumen ist im Regelfall aus biologischen, biomechanischen, ethischen, ästhetischen und ökonomischen Gründen abzulehnen. Jede realisierte Kappung birgt zudem die Gefahr in sich, als Nachahmungsbeispiel für weitere Kappungen zu dienen.

a. Kappung ist keine Baumpflege

Wie in der ZTV-Baumpflege wird auch in seriösen Fachkreisen und der einschlägigen Fachliteratur einhellig der Standpunkt vertreten, dass Kappung im Regelfall nichts mit Baumpflege zu tun haben kann. Bei der Kappung wird nicht auf geeignete Zugäste eingekürzt, sondern internodial geschnitten, also zwischen Verzweigungsknoten (Nodien). Außerdem wird viel zu viel an Kronenvolumen entnommen, nicht selten die komplette Krone und Teile des Stammes. Dabei werden Schnittverletzungen erzeugt, deren Menge und Größe fachlich indiskutabel sind. Die Kappung gesunder Bäume ist mit dem baumpflegerischen Berufsethos nicht vereinbar. In den meisten Fällen trifft dies auch auf kranke und/oder unsichere Bäume, die gekappt wurden, zu.

Dennoch – nach wie vor werden Bäume rücksichtslos zusammengeschnitten – und dies keineswegs nur von Laien. Zur Rechtfertigung werden besondere Umstände angeführt, wird vom Ausführenden erklärt, dass der Auftraggeber die Verantwortung trage (Da stellt sich allerdings die Frage, ob sich der Fachmann seiner fachlichen Verantwortung entziehen darf, ob er nicht Bedenken anmelden muss?). Es wird argumentiert, dass der Rückschnitt die Vorbereitung für die Baumbeseitigung sei, oder dass der Baum ja wieder austreibe (Was macht denn der Rückschnitt einer intakten Krone für einen Sinn, wenn man auf den nachfolgenden Neuaustrieb setzt?). Von manchen „Fachleuten“ wird die Kappung sogar als besonders geeignete Erhaltungsstrategie angepriesen und dabei unkorrekter Weise auf in der Natur vorkommende, nicht durch den Menschen verursachte Baumreduktionen hingewiesen. Jedoch umfassende, internodiale Kronenreduktionen gibt es bei frei entwickelten Bäumen in der Landschaft höchst selten, als Folge schwerer Orkane oder Tornados. In Waldbeständen, wo die Bäume hoch ansetzende Kronen haben, kann es im Zuge von Sturmkalamitäten zum Stammbruch, also totaler Kappung kommen. Allerdings, die meisten dieser aufgrund von Naturgewalten gekappten Bestandesbäume sterben spätestens innerhalb von ein paar Jahren ab. Also – sofern Naturereignisse totale Kappungen herbeiführen, muss gesagt werden, dass diese nicht weniger hässlich und schädigend sind, als durch den Mensch geschaffene.

Diese Aufnahme zeigt eine durch Naturgewalt (Tornado) verursachte Kappung einer Eiche.

 

Auf dieser Aufnahme ist eine Linden-Allee zu sehen, die mittels Schnittmaßnahmen gekappt wurde. In beiden Fällen liegen ein immenser biologischer Schaden und eine dramatische Habitusverfremdung vor.
b. Kappung und biologische Folgen

Ober- und unterirdische Baumorgane entwickeln sich miteinander, stehen in Wechselwirkung zueinander, beeinflussen und unterstützen sich gegenseitig – da ist nichts ohne Sinn oder überzählig.

Der fatalste Aspekt an der Kappung ist, dass die bis zum Zeitpunkt des Rückschnitts für die Assimilatebildung effektivsten Kronenteile (Fein-, Schwach- und Grobäste) komplett entfernt werden, ad hoc. Hierdurch wird das Abwehrvermögen geschwächt oder sogar zerstört, zuerst jedoch gerät der gekappte Baum in lebensbedrohliche Versorgungsnot, wodurch Stressreaktionen in Gang gesetzt werden.

Sofern biologisches Alter, Grundvitalität und Baumart die Möglichkeit bieten, setzt der Baum Phytohormone frei, mit dem Ziel Knospen (Proventiv-/Adventivknospen) zu aktivieren bzw.auszudifferenzieren, die dann ungeordnet, ja geradezu chaotisch als Reïterate austreiben. Mit dieser Vielzahl an Reïteraten versucht der Baum so rasch wie möglich einen neuen Assimilationsapparat aufzubauen, um dem akuten und devitalisierenden Energiemangel zu begegnen. Diesen Neuaustrieb (den Gesamtvorgang nennt man traumatische Reïteration) als Beleg für Schnittverträglichkeit darzustellen, kommt baumpflegerischem Zynismus gleich, zumindest stellt es einen ausgeprägten Mangel an Fachkenntnis dar.

Nach jedem Sägeschnitt (Zahlreiche Gefäße werden geöffnet, Luft dringt ein, es kommt zur Embolie.) setzt eine Besiedlung durch holzabbauende Organismen ein; bei internodial gesetzten Schnitten jedoch (also dort wo kein Verzweigungsknoten und keine Astschutzzone vorhanden ist) entwickelt sich stets eine umfassende, zentrale Fäule, weil das Abschottungsvermögen in den Zonen zwischen Verzweigungsknoten in der Regel schlecht ist und weil es in Ermangelung eines Zugastes zur Unterversorgung mit Assimilaten kommt. Nicht selten sterben größere Bast- und Kambialflächen ab, Rindenablösungen zeigen sich, der gekappte Abschnitt wird gänzlich destrukturiert, zumindest bis zum nächsten Nodium (Verzweigungsknoten). Der Assimilatemangel zieht nicht nur umfassende Ausfaulungen und Morschungen in den Kappungsbereichen nach sich, er wirkt sich auch auf den verholzten Wurzelkörper aus, auch dort kommt es zu Fäuleprozessen. Die Kappung führt immer zu gravierenden biologischen Schäden, auch bei Jungbäumen. Schadenverlauf und Schadenumfang werden dramatisch verstärkt, wenn der Baum bereits Probleme hat, sich in höherem biologischen Alter befindet, ein nicht effektiver Kompartimentierer ist und je größer die Schnittverletzungen sind. In seriösen Baumpfleger- und Sachverständigenkreisen ist es unstreitig, dass durch Kappung die an sich mögliche Lebenszeit drastisch verkürzt wird.

c. Kappung und biomechanische Folgen

Die Kambialaktivität (im Ergebnis: Längen- und Dickenzuwächse, Wachstumsspannungen, Holzeigenschaften, Form des Querschnittes) richtet sich maßgeblich nach den vom Baum lokal über das Kambium wahrgenommenen Lasten. dass dies so ist, wurde durch den herausragenden us-amerikanischen Wissenschaftler TELEWSKI bewiesen und u. a. durch MATTHECK und den Verfasser dieses Beitrags beschrieben. Durch die Kappung von Bäumen oder Baumteilen wird lokal der bis dato vorhandene 101 Lasteintrag gegen Null reduziert, es sind nur noch minimale Kraftflüsse vorhanden. An verschiedenste mechanische Belastungen angepasste Gewebe werden schlagartig entlastet. Entlastung ist in diesem Zusammenhang von negativer Bedeutung. Durch das Ausbleiben der gewohnten Kraftflüsse reduzieren sich die mechanischen Wachstumsimpulse (erste Risse entstehen sofort), die gesamte Aktivität der betroffenen Gewebepartien lässt nach, was biologische Anfälligkeit (Krankheit) begünstigt. Das Ausbleiben der vor der Kappung existierenden Druck-, Biege- und Torsionsbelastungen ist in erheblichem Umfang an der Entstehung von Kambialnekrosen und umfassenden Holzabbau in den und unterhalb der Kappungszonen beteiligt.

Die nach einer Kappung entstehenden obersten Reïterate erweisen sich häufig als bruchanfällig, weil die strukturelle Verbindung zwischen diesen Neutrieben und dem tragenden Holzkörper (Stamm/Stämmling/Ast) unzureichend ist. Ohne ausgeprägte Stamm-/Astkragen bleiben die mechanisch sichernden Wuchsleistungen unzureichend, das Reïterat kann sich nicht umfassend stabilisieren. Wird die Zugbelastung (erzeugt durch zunehmendes Eigengewicht und zunehmende Windlast) nach außen, also weg von der Schnittfläche zu groß, kommt es leicht zum Ausbrechen. Bruch begünstigend wirkt sich zudem aus, dass das Fundament der Reïterate massiv angegriffen wird, durch Holzabbau. Dies ist einer der Fälle, in denen sich gute Vitalität negativ auf die Verkehrssicherheit auswirken kann. Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit durch die verursachten Schäden am Wurzelkörper werden eventuell später relevant.

d. Kappung und gestalterische Folgen

Die Kappung von Bäumen führt immer unmittelbar und bleibend zu großen gestalterischen Einbußen, gleichgültig ob es sich um einen Jung- oder Altbaum handelt. Da es bezüglich der Baumgestalt eine durchaus allgemein empfundene Ästhetik gibt, ist es unzulässig in diesem Zusammenhang von Geschmacksfrage zu sprechen.

Gekappte Bäume müssen stresshaft neue Triebe ausbilden, um zumindest teilweise biologisch zu kompensieren. Dabei folgen sie nicht mehr ihrem ursprünglichen Verzweigungsschema; stattdessen entsteht ein Reïterationswust, aber niemals wieder ein arttypischer Habitus. Reïterationskronen verschiedener Baumarten ähneln sich aus der Distanz sehr, da die für die jeweilige Baumart typische Architektur und das typische Verzweigungsmuster fehlen. Dies hängt damit zusammen, dass die Reïterate zeitgleich entstehen und miteinander konkurrieren müssen, ähnlich wie Bäume eines Forstbestandes. Untere Verzweigungen entstehen nur bei Reïteraten in weitem Stand, die anderen streben im Konkurrenzkampf um Licht nach oben und altern übrigens vergleichsweise schnell.

e. Kappung und ökonomische Folgen
Durch das Kappen werden vermeidbare Kosten und vorzeitige Ersatzinvestitionen verursacht, da gekappte Bäume häufiger kontrolliert und geschnitten werden müssen. Eventuell wird der Einbau von Kronensicherungen erforderlich, nicht selten wird die Kappung aus Sicherheitsgründen mehrfach wiederholt. Gekappte Bäume müssen vorzeitig entfernt und ersetzt werden.
Auswege
  • Bäume sind bereichernde Elemente an unseren Straßen. Unbestreitbar überwiegen ihre vielfältigen, positiven Funktionen. Straßenbäume haben nicht nur ideelle Werte, sondern auch einen monetären Wert. Straßenbäume sind keine Gefahrenherde. Straßenbäume benötigen unseren Schutz und Pflege im wörtlichen Sinn.
  • Offenheit der Straßenmeister gegenüber den Baumfachleuten im eigenen Hause und den ausführenden Firmen.
  • Wer, und sei es auch nur im Groben, weiß, was Bäume mindestens benötigen und was ihnen andererseits schadet, der wird viele Fehler nicht machen.
  • Fort- und Weiterbildungen zum Thema Baum (etwa: Fachgerechte Pflanzung, Anwachspflege, Aufbau- und Erziehungsschnitt, Fachgerechte Schnittmaßnahmen, je nach Alter und Baumart, Wundbehandlung, Effektiver Baumschutz vor und während Baumaßnahmen und Fachgerechte Baumkontrolle) sind als ebenso wichtig anzusehen, wie Fortbildungen zu anderen Themen.
  • Artenschutzrechtliche Bestimmungen beachten (BNatSchG), damit Habitatstrukturen nach Möglichkeit erhalten bleiben. Zusammenarbeit mit Naturschutzbehörden.
Sonderfälle

In Einzelfällen, die ausschließlich fachlich begründet sein müssen, kann die Kappung eines Baumes oder der Sicherungsschnitt an einem Baum angebracht sein:

  • Ein Baum hat einen schweren Sturmschaden erlitten.
  • Es liegt eine schwere Trieberkrankung vor.
  • Ein Baum weist schwerste bruchmechanisch relevante Schäden auf, denen mit leichteren Entlastungsschnitten und/oder Einbau von Sicherungen nicht hinreichend zu begegnen ist.
  • Ein Baum soll trotz schwerster Schäden nicht gefällt werden, weil er wichtige Habitatstrukturen (beispielsweise Höhlungen oder Mulm) aufweist.
  • Eine schon einmal vorgenommene Kappung muss wiederholt werden, weil die seinerzeitige Kappungszone zu stark ausgefault ist und die nachgewachsene Krone nicht mehr tragen kann.

Baumhöhlen sind wichtige und geschützte (§ 44 BNatschG) Lebensraumstrukturen. Sie werden von zahlreichen, teils streng geschützten Tierarten genutzt. Hier handelt es sich um geschlüpfte Eulen in einer alten Pappel (Straßenbaum an der Ostsee). Nicht selten werden Baumhöhlen ganzjährig genutzt, wobei sich die Tierarten abwechseln können.
Das Foto zeigt den Stammfuß einer Esche (Straßenbaum an einer Bundesstraße im Landkreis Nordwestmecklenburg. Deutlich zu erkennen ist die Ansammlung von Fledermauskot. Bei dem Stamm handelt es sich um eine natürliche und zur Zeit noch ausreichend stabile Röhrenkonstruktion. Eine solche Lebensstätte gilt es zu erhalten. Gerät diese Röhre in das Stadium der Instabilität, sodass zwingender Handlungsbedarf besteht, ist der Fällung ein Kronensicherungsschnitt oder eine Kappung vorzuziehen.
* Texte von Marko Wäldchen, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, FLL-Regelwerksausschussmitglied Baumkontrollen/Baumuntersuchungen, Mitbegründer des BAUMZENTRUM’s, langjährige Zusammenarbeit mit Helge Breloer

Anforderungen an Baumsicherheitsgutachten

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a. Das Gutachten als Entscheidungsgrundlage

Viele Baumeigentümer (Privateigentümer wie auch Behörden), denen es an eigener Sachkunde hinsichtlich der von Bäumen ausgehenden Gefahren mangelt, können vielfach nur mit Hilfe von Sachverständigengutachten ihre Entscheidungen treffen. Sie haben in der Regel allerdings auch keine Möglichkeit, die Richtigkeit der Sachverständigengutachten zu überprüfen.

Gerade die Frage, ob der eingetretene Schaden bei einer Baumkontrolle vor dem Unfall hätte erkannt werden können, wird von den Sachverständigen immer wieder anhand von erst nach dem Unfall gewonnenen Erkenntnissen beantwortet und führt daher oft zu einer unangemessenen Belastung des verkehrssicherungspflichtigen Baumeigentümers. Darüber hinaus werden immer aufwändigere, kostenträchtige Untersuchungsmethoden zu Lasten der Bäume eingesetzt, um den hohen Sicherheitsanforderungen zu genügen, oder aber die Bäume werden eher als erforderlich aus Angst vor der Haftung gefällt.

Mit VTA sollte dann ein größeres Verständnis für das Lebewesen Baum geweckt und mehr Sicherheit in der Beurteilung eines eventuellen Baumversagens erreicht werden. Nach anfänglichen Erfolgen mit einer zunehmend baumfreundlichen Rechtsprechung wird jetzt genau das Gegenteil bewirkt. Es wird ein uferloses GefahrenBewusstsein geschaffen. Defekte werden aufgezeigt ohne ausreichende Einschätzung oder auch Begrenzung ihrer Gefährlichkeit, ohne Eingeständnis unseres immer eingeschränkten Wissens über mögliche Reaktionen eines Lebewesens wie des Baumes, ohne Erforschung und Nachweis der – oft langen – Zeiträume zwischen der Entstehung von Symptomen und dem Beginn einer konkreten Gefahr. Die für die Rechtsfindung so wichtige Grenzziehung zwischen möglicher, also latent bestehender Gefahr und einer bereits konkret eingetretenen Gefahr als unabdingbarer Haftungsvoraussetzung ist in vielen Gutachten selbst namhafter Sachverständiger nicht einmal ansatzweise vorhanden.

Statt mehr Sicherheit in der Beurteilung entsteht mehr Unsicherheit bezüglich möglicher, vom Baum ausgehender Gefahren. Dazu trug auch die Zuspitzung des Methodenstreits über gegebenenfalls notwendigen eingehenden Baumuntersuchungen bei. Opfer sind wieder die Bäume. Denn es kann keinen Zweifel daran geben, dass beispielsweise die derzeit massive und mit kaum verhüllten Drohungen verbundene Forderung nach einem sozusagen obligatorischen Einsatz messtechnischer Verfahren bei der Untersuchung von Bäumen wieder zu unnötigen Eingriffen und Baumfällungen führen wird. Außerdem wird derzeit der irrige Eindruck erweckt, man könne, wenn man nur an der richtigen Stelle mit den richtigen Geräten prüfe, eine zutreffende Sicherheitsprognose stellen. Die Bäume beweisen oft genug das Gegenteil. Mancher Baum mit einem Sachverständigen-Todesurteil, der aus irgendwelchen Gründen nicht gefällt wurde, überlebte ohne Verwirklichung irgendeiner Gefahr um viele Jahre.

Worauf auch Wawrik mit seiner in vielen Punkten zutreffenden Kritik hinweist, gibt es bei den Baumkontrollen derzeit die gleiche Entwicklung wie im medizinischen Bereich. Es wird eine Apparateund Technikgläubigkeit erzeugt, ohne damit eine zutreffendere Diagnose zu erreichen. Wenn jetzt nur noch Bohr- und andere Messtechniken Sicherheit versprechen, wird der Verantwortliche, der sich diese nicht leisten oder sie nicht handhaben kann, lieber Bäume fällen. Dann ist er jedenfalls auf der sicheren Seite. Entsprechende Gutachten tragen zu dieser Entwicklung bei.

b. Checkliste für Baumsicherheitsgutachten

Einen vollständigen Maßnahmenkatalog für Baumkontrollen kann es nicht geben. Das kann und will auch das neue Regelwerk, die FLL-Baumkontrollrichtlinien, nicht erreichen. Um aber etwas mehr Sicherheit in die Beurteilung von Baumkontrollen zu bringen, vor allem soweit letztere nach einem Schadenseintritt von Sachverständigen mit haftungsrechtlichen Folgen begutachtet werden, erscheint ein Pflichtenkatalog für eben diese Sachverständigen sinnvoll.

Ein derartiger Katalog käme allen Beteiligten zugute, und zwar den Verkehrssicherungspflichtigen und Baumkontrolleuren ebenso wie den Gerichten im Streitfall und letztlich auch dem Sachverständigen selbst. Eine Checkliste über die Anforderungen, die an Baumsicherheitsgutachten nach einem Schadenseintritt zu stellen sind, hält den Sachverständigen zur Gründlichkeit an und ermöglicht den übrigen Beteiligten eine Überprüfung zumindest hinsichtlich der Vollständigkeit des Gutachtens. Aber auch über die Qualität der Aussagen des Sachverständigen gibt die nachfolgende Checkliste, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, in gewissem Umfang Auskunft. Damit beugt die Checkliste auch voreiligen Schlussfolgerungen in Bezug auf die Vorhersehbarkeit des Baumversagens vor.

Eine uneingeschränkte Aussage über die Vorhersehbarkeit eines Schadenseintritts steht dem Sachverständigen vor Gericht ohnehin nicht zu. Er liefert nur fachlich Daten, die das Gericht abschließend beurteilt. Die im Kapitel 4 zur Praxis der Baumbeurteilung getroffenen Aussagen sind hier eine große Hilfe. Diese fachlichen Aussagen müssen durch eigene Untersuchungen und persönliche Feststellungen des Sachverständigen vor Ort belegt werden und dürfen nicht auf Vermutungen oder nur auf allgemeinen Erfahrungssätzen beruhen.

Folgende Angaben gehören in ein Gutachten über die Vorhersehbarkeit eines Schadens nach erfolgtem Schadenseintritt bzw. gehören nicht in ein solches Gutachten, zusammengefasst in einer

Checkliste
1. Standortbeschreibung
  • Straße, Wald, Spielplatz, Park, Garten usw.,
  • windgeschützt, windexponiert, Hauptwindrichtung, !! Windverhältnisse zur Unfallzeit !
  • (nicht allgemein, sondern am Unfallort)
  • Bodenverhältnisse generell/speziell zur Unfallzeit,
  • weitere Standortbedingungen
2. Zustandsbeschreibung (siehe Praxis der Baumbeurteilung)
  • Baumart, Größe, Alter, Vitalität (Verzweigungsbild, Rindenbild usw.),
  • Wuchseigenschaften,(Kronenaufbau, Dickenzuwächse, Trieblängenzuwächse usw.)
  • Besonderheiten von Krone, Stammkopf, Stamm, Stammfuß und Wurzeln standortbedingt
  • oder aus anderen Gründen)
3. Beschreibung der Defektsymptome
  • Risse, Wülste, Verdickungen, ungewöhnlich stark ausgeprägte Zuwachszonen, abplatzende Borke,
  • extreme Stauchungen, problematische Zwiesel, Faulstellen, Pilzfruchtkörper, Wurzeldefekte,
  • extreme Aufastung, kritisches Höhen-Durchmesser-Verhältnis usw. mit selbst geführtem Nachweis in Menge, Größe, Umfang – einschließlich Dokumentation
4. Würdigung der Defekte
und Probleme hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Schadenseintritt im Hinblick darauf,
  • ob die nach dem Unfall vom Sachverständigen festgestellten Zusammenhänge auch vom Baumkontrolleur – vor dem Unfall in gleicher Weise zu erkennen waren,
  • wie sich die festgestellten Defektsymptome und Probleme bei der speziellen Baumart und insbesondere dem betroffenen Baum auswirken,
  • ob die konkrete Gefahr bereits über einen längeren Zeitraum erkennbar war
5. Keine Vermutungen
  • eine allgemeine Beschreibung typischer Geschehensabläufe reicht nicht aus,
  • Rückschlüsse von Nachbarbäumen reichen nicht aus.
6. Eigene Untersuchungen
  • Nicht das einer Baumart als typisch zugeschriebene Wurzelwerk ist maßgebend, sondern die vom Sachverständigen selbst festgestellte Ausdehnung und Beschaffenheit des Wurzelwerks des zu untersuchenden Baumes.
  • Jedes angegebene Defektsymptom und jede angegebene nachteilige Auswirkung auf den Baum muss nachgewiesen und dokumentiert werden.
  • Eingearbeitete Fotos müssen einen hohen Aussagewert haben.
  • In dubio pro arbore – im Zweifel für den Baum!
7. Beschreibung des Wahrscheinlichkeitsgrades
  • nachvollziehbare Ausführungen über den Grad der Wahrscheinlichkeit, mit dem bei den festgestellten Defektsymptomen und Problemen mit einem Schadenseintritt gerechnet werden musste
  • auch Eingeständnis objektiver Grenzen einer Vorhersehbarkeit
8. Zeitangabe zur Baumkontrolle
  • Angabe der Zeit, die der Baumkontrolleur zur Erkennung der Defektsymptome und Probleme und für die Einschätzung der Gefahr gebraucht hätte einschließlich Rüstzeiten wie An- und Abfahrt usw. (Zumutbarkeit der Baumkontrollen)
  • Angaben zur Häufigkeit der durchgeführten Kontrollen
9. Erschwernisse der Baumkontrolle
  • Angabe der Umstände, die außer Zeitgründen eine Baumkontrolle erschwert haben, z.B. Wurzelanläufe verdeckt von Erdanschüttung, Bewuchs, Laub; z.B. Stamm und Kronenteile verdeckt von Rankgewächsen usw. (Zumutbarkeit der Baumkontrollen)
10. Verbot von rechtlichen Schlussfolgerungen
Unzulässig sind Sachverständigenfeststellungen wie:
  • der Schaden war vermeidbar,
  • der Schaden war vorhersehbar, ohne Angabe der sich unter Umständen aus 1. bis 9. ergebenden Einschränkungen
  • Vorsicht bei der Aussage: Die Baumkontrollen waren zumutbar oder unzumutbar. (Diese Entscheidung trifft grundsätzlich nur das Gericht. Es braucht aber fachliche Hinweise.)

Zeitangabe für erforderliche Sicherungsmaßnahmen

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Nach Abschluss einer Baumkontrolle werden die festgestellten Schäden und die zur Herstellung der Verkehrssicherheit erforderlichen Maßnahmen dokumentiert. Wenn in dem Zeitraum zwischen der Baumkontrolle und der Durchführung der dokumentierten Maßnahmen der betreffende Baum umstürzt oder Äste aus seiner Krone brechen, stellt sich die Frage, ob der Baumkontrolleur für die verursachten Schäden haftet. In der Rechtsprechung wird seit Längerem die Forderung erhoben, dass für die Durchführung der Arbeiten zur Herstellung der Verkehrssicherheit eine Zeitangabe zu erfolgen hat, andernfalls der Baumkontrolleur zur Verantwortung gezogen werden kann.

Urteil des Landgerichts Berlin

In diesem Sinn hat auch das Landgericht (LG) Berlin in einem Urteil vom 24. Juni 2009 (Az.: 86 O 130/09) entschieden. Es ging um einen Pkw-Schaden durch eine umgestürzte Robinie, die von dem zuständigen Baumkontrolleur nach der durchgeführten Sichtkontrolle für eine weitere Untersuchung mit dem Resistographen vorgesehen war. Der Baum stürzte aber vor Durchführung dieser Untersuchung bei starkem Wind um.

Mit ausschlaggebend für die Verurteilung des Baumeigentümers (Straßenbaulastträger) zum Schadensersatz war hier die Tatsache, dass der Baumkontrolleur die für erforderlich angesehene eingehende Untersuchung mit dem Resistographen nicht terminiert hatte, d. h. dass er keinen Zeitpunkt vorgegeben hatte, bis zu welchem die Maßnahme spätestens erfolgen musste. „Den Baum lediglich für weitere Untersuchungen zu einem unbestimmten Zeitpunkt mittels Resistographen vorzumerken, entsprach hingegen nicht den Anforderungen des § 19 Abs. 4 RBU. Die Amtspflichtverletzung war auch ursächlich für den geltend gemachten Schaden.“

Das wäre im Ergebnis kaum zu beanstanden, wenn denn der Nachweis der Ursächlichkeit geführt worden wäre. Die Urteilsbegründung ist jedoch nicht nur in diesem Punkt kritisch zu hinterfragen.

Rundschreiben der Berliner Senatsverwaltung (RBU) als Maßstab für die Verkehrssicherungspflicht

Das LG Berlin führte im Sinn des Bundesgerichtshofs (www.baeumeundrecht.de) aus: „Es gibt kein verbindliches Regelwerk, das umfassend darüber Auskunft gibt, was der Verkehrssicherungspflichtige im Einzelnen zu tun oder zu unterlassen hat, um im Falle eines Falles nicht zu haften.“ Dennoch stützt sich das Gericht auf das Rundschreiben RBU im Sinne eines maßgeblichen Regelwerks, wenn es heißt: „In ihrem Rundschreiben über den Bau und die Unterhaltung von Straßengrün (im Folgenden genannt: RBU) hat die Berliner Senatsverwaltung am 17. August 2001 Empfehlungen abgegeben, um für den Bau und die Unterhaltung von Straßengrün wieder eine einheitliche Grundlage zu haben. Diese Empfehlungen entsprechen den von der Rechtsprechung zuletzt entwickelten Grundsätzen zur Ausgestaltung der Verkehrssicherungspflicht bei Straßenbäumen und werden deshalb zur Definition der Verkehrssicherungspflicht des Beklagten herangezogen.“

So wie die Empfehlungen im RBU vom LG Berlin verstanden werden, entsprechen sie tatsächlich den von der Rechtsprechung entwickelten – und zwar immer strengeren – Grundsätzen und erhöhen die Anforderungen sogar noch. Das Gericht stellt zunächst fest, dass nach § 19 Abs. 4 RBU unverzüglich die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu treffen sind, wenn bei der Prüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen Schäden oder Mängel festgestellt werden, die auf eine unmittelbar drohende Gefahr schließen lassen. Das ist uneingeschränkt zutreffend.

Danach tendiert das Gericht jedoch in eine Richtung, die bei Unfällen von vorneherein eine Verkehrssicherungspflichtverletzung im Blick hat, wenn überhaupt irgendwelche Schäden am Baum festgestellt werden. „Auch bei einer möglichen Gefahr oder einem Gefahrenverdacht muss der Straßenbaulastträger nach § 19 IV RBU handeln. Ein Gefahrenverdacht liegt immer dann vor, wenn der Behörde bestimmte Unsicherheiten bei der Diagnose des Sachverhalts bewusst sind und ihr deshalb die Entscheidung über die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts erschwert wird. Dann hat der Straßenbaulastträger unverzüglich vorläufige Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung, insbesondere fachmännische Untersuchungen durch weitere, genauere und möglicherweise auch invasive Maßnahmen durchzuführen. Wenn besondere wichtige Rechtsgüter wie Leib und Leben gefährdet sind, hat der Sachverständige auch endgültige Maßnahmen zu treffen.“

Damit werden schon bei jeder möglichen Gefahr und bei einem bloßen Gefahrenverdacht – die dann nach Ansicht des Gerichts grundsätzlich bei Schäden am Baum gegeben sind – die gleichen Anforderungen gestellt wie bei unmittelbar drohender Gefahr, nämlich unverzügliches Handeln. Das kann nicht richtig sein. Eine fachlich zutreffende Beurteilung der Verkehrssicherheit führt vielmehr zu abgestuften Maßnahmen, und zwar auch zu zeitlich abgestuften Maßnahmen.

Jeder Schaden am Baum eine Gefahr mit Haftungsfolgen

Der Baumkontrolleur hatte nach Angaben des Gerichts bei der turnusmäßigen Überprüfung des streitgegenständlichen Baumes Pilzfruchtkörer und Fäule festgestellt. Da der Baumkontrolleur nicht abschließend beurteilen konnte, wieweit bereits eine Gefahr gegeben war, ordnete er eine eingehende Untersuchung mit dem Resistographen an. Daraus folgert das Gericht: „Es lag also bereits zum Zeitpunkt der Kontrolluntersuchungen am 8. September 2008 für den Sachbearbeiter des Beklagten erkennbar im Bereich des Möglichen, dass eine Gefährdung für den Baum ausging. Dann aber hätte der Sachbearbeiter des Beklagten unverzüglich den Baum abstützen oder gar fällen lassen müssen. Denn von Bäumen geht eine Gefährdung von Leib, Leben und hohen Sachwerten aus.“ Die Rechtsprechung wird wie hier das LG Berlin nicht müde, auf die Gefahren durch Bäume hinzuweisen. Es geht aber stets um die fachliche begründete Beurteilung der Gefährlichkeit von Schäden und Mängeln, welche selbst im Fall von Pilzfruchtkörpern und einsetzender Fäule erwiesenermaßen nicht immer zu einer Gefährdung der Stand- und Bruchsicherheit des Baumes führen müssen. Wenn das Gericht fordert, dass der Baumkontrolleur zumindest unverzüglich fachmännischen Rat hätte einholen müssen, so muss der Grund für ein unverzügliches Handeln erläutert werden. Aus der Tatsache allein, dass der Baum anschließend – und zwar offensichtlich auch noch durch Windeinwirkung – umgestürzt ist, lässt sich noch nicht auf eine Vorhersehbarkeit dieses Ereignisses bei der Baumkontrolle schließen. In der Urteilsbegründung ist zwar ständig von Schäden und der dadurch drohenden Gefahr die Rede, nicht aber von dem im vorliegenden Fall tatsächlichen Ausmaß der Schäden und der Vorhersehbarkeit des Versagens. Es reicht dem Gericht offensichtlich, dass Schäden vorlagen. In der Konsequenz müssten dann alle Bäumen mit Schäden, d. h. der überwiegende Teil aller Straßenbäume, sofort eingehend untersucht oder gesichert oder gefällt werden, um einer Haftung bei Unfällen zu entgehen, was die Grenzen der Zumutbarkeit sprengen würde.

Unterlassene Maßnahmen müssen für den Schaden ursächlich sein

Schließlich hatte der beklagte Straßenbaulastträger geltend gemacht, dass bei einer nachträglichen Untersuchung mit dem Resistografen in dem Bereich, den man am stehenden Baum hätte untersuchen können, nur in einem sehr abgegrenzten Bereich eine Verminderung der Holzfestigkeit festgestellt wurde. Dies hätte maximal dazu geführt, eine leichte Kronenentlastung innerhalb der normalen Arbeitsplanung vorzunehmen.

Das Gericht stellte jedoch fest, dass der Beklagte nicht substantiiert dargelegt hätte, dass der Schaden auch dann entstanden wäre, wenn die Baumkrone innerhalb der normalen Arbeitsplanung entlastet worden wäre. Denn wenn innerhalb der normalen Arbeitsplanung bedeuten würde, dass die Baumkrone vor dem Unfall weniger Äste gehabt hätte, wäre der Unfall nicht oder nicht in dieser Weise eingetreten. Das ist zumindest insofern nicht nachvollziehbar, als sich der Unfall am 13. September 2008 ereignete, also nur fünf Tage nach der Baumkontrolle am 8. September 2008. Hier hätte ein Sachverständigengutachten Auskunft über die erkennbare Gefahr einerseits und die daraus folgende Zeitspanne bis zum Handlungsbedarf geben müssen.

Im Übrigen schloss das Gericht auch höhere Gewalt aus. Es ließ den Einwand nicht gelten, dass zum Zeitpunkt des Unfalls Sturm geherrscht habe. Hier hatte es der Beklagte zu seinen Lasten versäumt, die Sturmstärke durch Wetterberichte zu belegen. Allerdings liest sich die Begründung des Gerichts etwas merkwürdig, wenn es heißt: „Der Beklagte hat weder dargelegt, welche Windstärke zum Unfallzeitpunkt herrschte noch inwieweit der Sturm ein unvorhersehbares Ereignis gewesen sein soll, das weder verhütet werden konnte noch in Kauf genommen zu werden brauchte.“

Ergebnis

Zu Recht hat das LG Berlin gerügt, dass der Baumkontrolleur keine Zeitangaben für die von ihm für erforderlich gehaltene eingehende Untersuchung gemacht hat. Eine Dokumentation der Baumkontrolle ohne Zeitangabe für die anschließend erforderlichen Maßnahmen ist fehlerhaft.

Zu Unrecht geht das LG Berlin allerdings davon aus, dass bei Schäden am Baum in jedem Fall unverzüglich Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen sind. Das setzt voraus, dass eine unmittelbar drohende Gefahr für den Baumkontrolleur erkennbar war, was sich im vorliegenden Fall nicht zweifelsfrei aus den Urteilsgründen ergibt.

Rechtsprechung zu Massaria-Befall, FLL-Baumkontrollrichtlinien und zweimal jährlichen Baumkontrollen

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Das OLG Köln hat durch ein Urteil vom 29. Juli 2010 die Weichen für die Abstände zwischen den Baumkontrollen neu gestellt und die neueste Rechtsprechung zu Massaria-Befall und FLL-Baumkontrollrichtlinien nicht nur bestätigt, sondern darüber hinaus noch konkretisiert. Schon das LG Köln hatte sich in seinem Urteil vom 4. Dezember 2009 zur Verkehrssicherungspflicht bei Massaria-Befall geäußert. Nahezu zeitgleich und unabhängig von dieser Entscheidung hatte dann das LG Bonn in einem Urteil vom 13. Januar 2010 mit einem ähnlichen Fall befasst und ebenso wie das LG Köln unter Berufung auf die FLL-Baumkontrollrichtlinie den Schadensersatzanspruch gegen die Kommune nach einem Astausbruch durch Massaria-Befall abgelehnt. Hier war die Häufigkeit der Baumkontrollen maßgebend, und in diesem Zusammenhang hatte das LG Bonn eine zweimal jährliche Baumkontrolle abgelehnt.
Urteil des OLG Köln vom 29. Juli 2010 zu den FLL-Baumkontrollrichtlinien
Gegen das Urteil des LG Bonn wurde Berufung eingelegt, die das zuständige OLG Köln ohne Zulassung der Revision abgelehnt hat, wobei das Urteil des LG Bonn in allen Punkten bestätigt wurde. Das OLG Köln geht in seinen Urteilsgründen ausführlich auf die obergerichtliche Rechtsprechung zur zweimal jährlichen Baumkontrolle ein und stellt nun unter Berufung auf die FLL-Baumkontrollrichtlinien und anschließend auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli 2004 endgültig klar:

„Diese Rechtsprechung ist inzwischen durch neue fachliche Erkenntnisse überholt. Eine starre Kontrolle zweimal im Jahr wird mittlerweile als baumpflegerisch nicht sinnvoll und angezeigt angesehen, weil sie den Umständen des Einzelfalles nicht gerecht wird). Dem trägt die von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. entwickelte Baumkontrollrichtlinie, erstmals erschienen im Dezember 2004, Rechnung, die die Häufigkeit der angemessenen Kontrolle aufgrund forstwissenschaftlicher Untersuchungen nach der Gefahrenlage, der Baumart, dem Standort und dem Alter des Baumes in differenzierter Weise bestimmt. Danach bedürfen Jungbäume in der Regel keiner Kontrolle, gesunde und leicht beschädigte Bäume in der Alterungsphase auch bei erhöhten Sicherheitserwartungen des Verkehrs, die vorliegend auf Grund der Verkehrsbedeutung des in der Nähe des Bahnhofs in Bad Godesberg gelegenen Parkplatzes zu bejahen sind, einer einmal jährlichen Regelkontrolle. Die Alterungsphase beginnt zwischen 50 und 80 Jahren..“

Das OLG Köln folgt hier den Einschätzungen des Sachverständigen zu der 65 – 70 Jahre alten Platane. Danach „war vorliegend in Übereinstimmung mit der Baumkontrollrichtlinie, die den aktuellen Stand der Erfahrungen und Technik der Forstwissenschaft wiedergibt“, ein Kontrollabstand von ein bis zwei Jahren ausreichend. Das Gericht äußert sich dann speziell zu den Kontrollabständen bei Massaria-Befall und stellt ebenso wie bereits das LG Köln und das LG Bonn fest, dass bei Erstbefall mit der Krankheit eine Regelkontrolle vom Boden aus in den gewöhnlichen und hier nach den FLL-Baumkontrollrichtlinien angezeigten Abständen ausreicht. Das gälte auch bei einer normalen Totholzbildung, die keine zusätzliche Kontrolle erfordere. Das Gericht stellt aber klar, dass im vorliegenden Fall etwas anderes dann gelten würde, wenn bereits seinerzeit Anzeichen eines Massaria-Befalls erkannt worden wären bzw. bei ordnungsgemäßer Prüfung hätten festgestellt werden können. Denn für den Fall einer Massaria-Erkrankung, die durch äußerst rasche Totholzbildung geprägt sei, müsse eine Überprüfung in kürzeren Intervallen erfolgen.

Veröffentlichung in der Zeitschrift Versicherungsrecht

Die Urteile zur Verkehrssicherungspflicht bei Massaria-Befall sind in Heft 29 der Zeitschrift Versicherungsrecht mit folgenden Leitsätzen veröffentlicht:

Gebotene Sichtkontrolle von Bäumen auf einem öffentlichen Parkplatz
BGB § 839, GG Art. 34

1. Die Richtlinie zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (stets aktuelle Ausgabe) gibt hinsichtlich der Häufigkeit von Baumkontrollen die Regeln der Technik auf dem aktuellen Stand wieder. Danach kann die Sichtkontrolle von Bäumen auf einem öffentlichen Parkplatz in jährlichen Abstand ausreichend sein.

2. Gibt es bei Platanen Anzeichen für einen Befall mit der Massariakrankheit, ist die Kommune verpflichtet, die Kontrollen zu intensivieren.

(478) LG Bonn, Urteil vom 13.1.2010 (1 O 149/09)
(478) OLG Köln, Urteil vom 29.7.2010 (7 U 31/10)

(= VersR 2010, 1328)

Gebotene Sichtkontrollen von Straßenbäumen
BGB § 839, GG Art. 34

1. Die Richtlinie zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. von 2004 (stets aktuelle Ausgabe), nimmt eine jüngere fachwissenschaftlich fundierte Konkretisierung des Kontrollturnusses vor, der einer für einen Baumbestand entlang einer Straße verkehrssicherungspflichtigen Kommune obliegt. Danach kann eine alle zwei Jahre stattfindende Sichtkontrolle von Straßenbäumen ausreichend sein.

2. Es bleibt dahingestellt, ob das Auftreten bzw. vermehrte Auftreten der Massariakrankheit in einem bestimmten Baumbestand eine Verschärfung der Verkehrssicherungspflicht dieses bestimmten Baumbestandes zur Folge hat.

3. Jedenfalls solange im konkreten Bestand der Platanen kein massiver Massariabefall festgestellt ist, besteht für die Kommune keine Verpflichtung zu einer Verschärfung der Baumkontrollen.

(479) LG Köln, Urteil vom 4.12.2009 (S O 144/08)

(= VersR 2010, 1329)

Verkehrssicherungspflicht und Kostenlast bei Schneebruch aus Waldbrandbäumen an öffentlichen Straßen

admin

Immer wieder stellt sich im Winter die Frage, wer bei Schneebruch aus Waldrandbäumen entlang öffentlicher Straßen verkehrssicherungspflichtig ist und wer die Kosten der Gefahrenbeseitigung zu tragen hat. Da nicht nur die Straßengesetze, sondern auch die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts zu beachten sind, ist neben der verschuldensabhängigen Verkehrssicherungspflicht der Straßenverkehrsbehörde oder des Waldbesitzers bei Schneebruch auch ein eventueller verschuldensunabhängiger Beseitigungsanspruch der Straßenverkehrsbehörde gemäß § 1004 BGB gegen den Waldbesitzer zu prüfen mit der Folge, dass der Waldbesitzer gegebenenfalls die Kosten der Gefahrenbeseitigung zu tragen hat.

Unterschiedliche Fallgestaltungen
In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen:
  • Wenn über die Straße ragende Äste von Waldrandbäumen infolge ungewöhnlicher Schneelasten zu brechen drohen und eine Gefährdung des Verkehrs darstellen, wer ist verkehrssicherungspflichtig und muss handeln, d. h. die Äste abschneiden, die Straßenverkehrsbehörde und/oder der Waldbesitzer?
  • Wenn es bereits zu Schäden der Verkehrsteilnehmer durch Astausbruch infolge ungewöhnlicher Schneelasten aus überhängenden Ästen von Waldrandbäumen gekommen ist, wer ist schadensersatzpflichtig, die Straßenverkehrsbehörde und/oder der Waldbesitzer?
  • Bestehen Unterschiede im Hinblick auf den Zustand der über die Straße ragenden Äste (z. B. Totholz) und hinsichtlich der Höhe der Äste (Lichtraumprofil)?
  • Inwieweit kann die Straßenverkehrsbehörde, wenn sie tätig geworden ist, die Erstattung der Kosten vom Waldbesitzer verlangen, d. h. hat sie einen Beseitigungsanspruch gegen den Waldbesitzer aus § 1004 BGB und ist der Waldbesitzer „Störer“ im Sinne dieser Vorschrift?
Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht entlang öffentlicher Straßen im Wald

Die Abgrenzung, wann für die Sicherheit der Waldrandbäume an öffentlichen Straßen die Straßenverkehrsbehörde und wann der Waldbesitzer zuständig ist, hat der BGH in einigen Urteilen vorgenommen, denen jedes Mal eine andere Fallgestaltung zu Grunde lag. Auf diese Unterschiede ist stets zu achten, ehe die Grundsätze der getroffenen Entscheidungen übertragen werden können. Für sich genommen könnten die einzelnen Urteile des BGH und die übrigen Gerichte zu einer widersprüchlichen Auslegung der Verkehrssicherungspflicht führen. Vor allem lesen sie sich zunächst so, als obliege die Verkehrssicherungspflicht für Wald entlang öffentlicher Straßen grundsätzlich dem Waldeigentümer und nicht der Straßenbaubehörde wie beispielsweise das Urteil des BGH vom 19. Januar 1989. Hier ging es um Schäden, die durch einen Baum entstanden waren, der aus einem an die Straße grenzenden Waldstück auf einen vorbeifahrenden Pkw gestürzt war. Der BGH hat hier festgestellt, dass den Straßenverkehrssicherungspflichtigen keine Pflichtverletzung traf, weil dieser nur für den gefahrfreien Zustand der Straße hafte. Der Baum gehörte nach Ansicht des BGH hier nicht zur Straße, weil er „innerhalb eines geschlossenen Waldstücks“ stand. „Er stand zwar am Rand dieses Waldstücks, trat aber in keiner Weise hervor, weil er keine Eigentümlichkeiten aufwies, die ihn vom Waldsaum abhoben und äußerlich der Straße zuordneten. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass ein Baum von der allgemeinen Verkehrsauffassung der Straße zugeordnet wird. Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich auf ihn so lange nicht, als er unauffällig im Wald steht.“ Der BGH stellte den Straßenverkehrssicherungspflichtigen frei. Hier haftete der Waldeigentümer.

In einem späteren Urteil vom 1. Juli 1993 hat der BGH dann den Straßenverkehrssicherungspflichtigen für einen Baum an der Straße haftbar gemacht, der bei Sturm umgestürzt war und eine Garage beschädigt hatte. Der BGH stellte ausdrücklich klar, dass es sich hier um einen Baum handelte, der als Zubehör der Straße anzusehen war. Darauf ist auch dann abzustellen, wenn Straßen durch Waldgebiete führen: Ist der umgestürzte Baum dem Wald zuzuordnen oder der Straße? Je nachdem ist in erster Linie der Waldeigentümer oder die Straßenbaubehörde verantwortlich.

Zuweilen stellte sich früher die Frage, ob den Waldeigentümer die erhöhten Verkehrssicherungspflichten gegenüber der Straße auch dann treffen, wenn der Bestand älter als die Straße ist, die Straße also durch seinen ehemals geschlossenen Bestand gelegt wurde. Heute wird jedoch in der Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht für Waldbäume nicht mehr unterschieden, ob die Straße durch einen bereits vorhandenen Wald gebaut wurde oder ob der Wald nach dem Bau der Straße angelegt wurde. Es wird grundsätzlich von einer Zustandshaftung des Waldbesitzers hinsichtlich der Sicherheit der Waldrandbäume entlang öffentlicher Straßen ausgegangen, wenn der Baum nicht außerhalb des Waldrandes steht.

Da die gewöhnlichen Fallgestaltungen in der Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers bei Umsturz eines Baumes oder Astausbrüchen aus Waldrändern den vorliegenden Fall des Astausbruch infolge ungewöhnlicher Schneelasten, einem unvorhersehbaren Naturereignis, nicht treffen, muss nach vergleichbaren Fallgestaltungen gesucht werden.

BGH-Beschluss vom 27.10.1988 zum Naturzustand

Beispielsweise ging es in dem BGH-Beschluss vom 27.10.1988 um die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen eines Baumsturzes auf eine öffentliche Straße, die durch einen so genannten Grenzwirtschaftswald in Hessen führte, d. h. durch einen nicht bewirtschafteten Wald. Da der BGH hier Ausführungen zum Naturzustand eines Waldes macht, ergeben sich Parallelen zum vorliegenden Fall.

Der BGH hatte in dem genannten Beschluss festgestellt, dass der streitbetroffene Bestand ein Grenzwirtschaftswald und deshalb nicht bewirtschaftet war. Daraus folgt für den BGH, „dass sein Zustand als Naturzustand anzusehen ist“, für den der beklagte Waldeigentümer in dem entschiedenen Fall nicht haftete. Der BGH stellte hier – wie auch in der neueren Rechtsprechung des BGH – fest: „Anerkanntermaßen hat allerdings derjenige, der die Verfügungsgewalt über ein Grundstück ausübt, im Rahmen des Möglichen dafür zu sorgen, dass von den dort stehenden Bäumen keine Gefahr für andere ausgeht, der Baumbestand vielmehr so angelegt ist, dass er im Rahmen des nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen Möglichen gegen Windwurf und Windbruch, insbesondere aber auch gegen Umstürzen aufgrund fehlender Standfestigkeit gesichert ist.“.

Der BGH trifft in diesem Urteil dann aber Feststellungen, die auch Bedeutung für die Frage nach der Haftung des Waldeigentümers für Schneebruch aus Waldrandbäumen haben:

„Die Zustandshaftung des Grundeigentümers geht jedoch nicht soweit, dass der Eigentümer unterschiedslos für alle Auswirkungen verantwortlich wäre, die rein tatsächlich von seinem Grundstück ausgehen.

Ist das Ereignis, das einen Schaden verursacht hat, ausschließlich durch das Wirken von Naturkräften ausgelöst und weder auf eine durch Menschenhand vorgenommene Veränderung des Grundstücks noch auf dessen wirtschaftliche Nutzung zurückzuführen, so besteht nach der Rechtsprechung schon des Reichsgerichts … und auch des Bundesgerichtshofs kein negatorischer Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB, weil der Umstand allein, dass eine Beeinträchtigung von einem Grundstück ausgeht, den Eigentümer nicht zum Störer macht; Störer ist er erst, wenn die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückzuführen ist … Grundsätzlich realisiert sich in derartigen Schädigungen vielmehr nur das allgemeine Risiko des Betroffenen, für das er Schadensersatz nicht verlangen kann.“

Daraus ist für die Waldbesitzer abzuleiten, dass sie für Gefahren durch Waldrandbäume entlang öffentlicher Straßen bei Astbruch durch ungewöhnliche Schneelasten nicht haften, weil diese Gefahren „ausschließlich durch das Wirken von Naturkräften ausgelöst“ sind, da sie weder auf eine durch die Waldbesitzer „vorgenommene Veränderung“ des Waldgrundstücks „noch auf dessen wirtschaftliche Nutzung zurückzuführen“ sind. Das wird heute von der Straßenverkehrsbehörde allerdings mit Blick auf die Abgrenzung der Rechtsprechung zwischen der Verkehrssicherungspflicht für Bäume im Waldbestand einerseits und für Straßenbäume andrerseits in Frage gestellt und auch mit Blick auf einen eventuellen Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB hinsichtlich von Baumteilen, die in den Straßenraum ragen.

Verkehrssicherungspflicht der Straßenverkehrsbehörde oder des Waldbesitzers

Ein weitere vergleichbare Regelung findet sich in Straßengesetzen, aus denen sich eine Verkehrssicherungspflicht der Straßenverkehrsbehörde bei Schneebruch ableiten lässt, und zwar aus den Vorschriften über Schutzmaßnahmen, wie sie in § 11 FStrG und dementsprechend in den Landesstraßengesetzen geregelt sind. Hiernach haben die Eigentümer anliegender Grundstücke die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz der Straße vor nachteiligen Einwirkungen zu dulden. Als nachteilige Einwirkungen sind Einwirkungen der Natur wie beispielsweise Schneeverwehungen und Steinschlag genannt. Auch wenn der Schneebruch von Ästen keine unmittelbare Einwirkung der Natur ist, trifft der Grundgedanke der Regelung von Schutzmaßnahmen auch hier zu.

Entscheidend ist, dass der Anlieger nach den Straßengesetzen Maßnahmen zum Schutz vor Einwirkungen der Natur auf die Straße zu dulden, aber eben nur zu dulden und nicht selbst durchzuführen hat. Vielmehr hat die Straßenverkehrsbehörde die Schutzvorkehrungen zu treffen hat, und zwar aufgrund ihrer Verkehrssicherungspflicht für die Straße. Das wird auch beispielsweise in der Kommentierung der Straßengesetze – so von Fickert für Nordrhein-Westfalen so herausgestellt:

Die Bedeutung der Vorschrift ist vor allem darin zu sehen, dass die Eigentümer der an den Straßen gelegenen Grundstücke, von denen nachteilige Einwirkungen der Natur ausgehen, für diese nicht – etwa im Sinne der Verkehrssicherungspflicht – einzustehen haben, wenn die benachbarten Grundstücke unverändert belassen worden sind und erst das Hinzukommen der Straße und des Verkehrs die gefährdenden Verhältnisse schafft.

Die – eingeschränkte – Zustandshaftung für diese Grundstücke folgt aus der rechtlichen und tatsächlichen Sachherrschaft …. Die Vorschrift über die Behandlung notwendiger Schutzmaßnahmen beruht darauf, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung des RG… und des BGH … den Trägern der Straßenbaulast als Verkehrssicherungspflichtigen und nicht den Anlieger dazu verpflichtet hat, die Verkehrsteilnehmer als Benutzer der Straße vor einer Gefährdung durch die Einwirkung bloßer Naturkräfte zu schützen.

Hinsichtlich der Gefährdung des Verkehrs durch Schneebruch aus Waldrandbäumen an öffentlichen Straßen ergibt sich daraus, dass die Straßenverkehrsbehörde verkehrssicherungspflichtig ist. Dies gilt nicht nur für den Ausbruch gesunder Äste, sondern auch für den Ausbruch vorgeschädigter Äste. Sie muss in jedem Fall tätig werden. Allerdings bleibt zu untersuchen, ob der Waldbesitzer im letzten Fall als „Störer“ im Sinn des § 1004 BGB anzusehen ist, und er nach dem Tätigwerden der Straßenverkehrsbehörde die entstandenen Kosten zu erstatten hat.

Störereigenschaft im Sinn des § 1004 BGB

Während der Schadensersatzanspruch nach § 823 wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ein Verschulden voraussetzt, ist der auf § 1004 BGB gestützte Beseitigungsanspruch unabhängig von einem Verschulden. Im Fall der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht geht es um den Anspruch des Verkehrsteilnehmers gegen den Verkehrssicherungspflichtigen, hier gegen die Straßenverkehrsbehörde. Im Fall des Beseitigungsanspruchs geht es um einen Anspruch zwischen dem Straßeneigentümer und dem Waldeigentümer.

§ 1004 BGB gibt dem (Straßen)Eigentümer, dessen Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes – hier durch ausbrechende Äste aus dem angrenzenden Waldgrundstück – gestört wird, grundsätzlich einen Beseitigungsanspruch. Die Straßenverkehrsbehörde kann im Fall der Störung die Beseitigung der betreffenden Äste verlangen, muss allerdings wegen ihrer vorrangigen Verkehrssicherungspflicht selbst tätig werden. Zu diesem Zeitpunkt ist es in der Regel noch nicht zu einem Schaden gekommen. Voraussetzung des Beseitigungsanspruchs und daraus folgenden Kostenerstattungsanspruchs ist allerdings, dass hier der Waldeigentümer tatsächlich „Störer“ im Sinn des § 1004 BGB ist, was in jedem einzelnen Fall zu prüfen ist.

Die Rechtsprechung des BGH zur Störereigenschaft des Baumeigentümers ist an den Leitsätzen zweier wichtiger Urteile zu messen. In einem Urteil vom 1.7.1993 hat der BGH entschieden: „Pflanzt oder unterhält der Eigentümer auf seinem Grundstück einen Baum und stürzt dieser infolge eines ungewöhnlich heftigen Sturms auf das Nachbargrundstück, so sind die damit verbundenen Beeinträchtigungen dem Eigentümer regelmäßig dann nicht als Störer i. S. des § 1004 I BGB zuzurechnen, wenn der Baum gegenüber normalen Einwirkungen der Naturkräfte hinreichend widerstandsfähig gewesen ist.“ In seinem missverstandenen Pappelurteil vom 21.3.2003 hat der BGH festgestellt: „Unterhält der Eigentümer auf seinem Grundstück einen Baum, der allein infolge seines Alters auf das Nachbargrundstück stürzen kann, so ist er Störer im Sinn des § 1004 Abs. 1 BGB.“ Die letzte Entscheidung sorgte unter den verkehrssicherungspflichtigen Baumeigentümern, vor allem bei Kommunen und im Forst, für erhebliche Unruhe. Das rechtlich nicht angreifbare Urteil des BGH vom 23.4.2003 basiert allerdings auf fachlich unzutreffenden Vorgaben zum Alter von Pappeln und gab damit Anlass zu Missverständnissen in Bezug auf den Umfang der Verkehrssicherungspflicht vor allem für Pappeln und generell für alte Bäume.

In seinem Urteil vom 23.4.1993 war der BGH bei der Prüfung der Störereigenschaft zu dem Ergebnis gekommen, dass die bloße Stellung als Eigentümer des Grundstücks dafür nicht ausreiche. Die Beeinträchtigung müsse vielmehr wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgehen. „Durch Naturereignisse ausgelöste Beeinträchtigungen sind ihm allenfalls dann als Störer zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder wenn sie durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden sind.“

Auf den Schneebruch übertragen, bedeutet dies, dass dem Waldbesitzer diese durch Naturereignisse ausgelöste Beeinträchtigung des Straßengrundstücks nicht als Störer zuzurechnen ist, da er den Schneebruch weder durch eigene Handlungen ermöglicht noch durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt hat.

Ergebnis
  • Der Schneebruch wird – wie bereits ausgeführt – nicht durch eigene Handlungen des Waldbesitzers ermöglicht, sondern durch ein Naturereignis ausgelöst wie hier die ungewöhnlichen Schneelasten. Der Schneebruch ist allerdings dann auf ein pflichtwidriges Unterlassen des Waldbesitzers zurückzuführen, wenn es eine Pflicht des Waldbesitzers gibt, den Schneebruch beispielsweise durch Abschneiden des Überhangs zu verhindern und er diesen Pflichten nicht nachgekommen ist. Insoweit ist zu unterscheiden, ob die jetzt durch die Schneelast brechenden Äste, die über die Straße ragen, vorher gesund waren oder ob sie bereits Totholz, Defekte oder andere Beschädigungen aufwiesen. Auch die Freihaltung des Lichtraumprofils spielt eine Rolle.
  • Handelte es sich um gesunde Äste, die außerhalb des Lichtraumprofils über die Straße ragen, so gibt es für den Waldbesitzer in der Regel keine Verpflichtung, diese abzuschneiden. Wenn diese Äste infolge ungewöhnlicher Schneelasten abbrechen, so liegt kein pflichtwidriges Unterlassen vor, und der Waldbesitzer ist kein „Störer“ im Sinn des § 1004 BGB. Die volle Verantwortung für die Folgen des Schneebruchs liegt in diesem Fall bei der Straßenverkehrsbehörde. Sie muss die durch Schneebruch gefährdeten Äste auf eigene Kosten aus den Bäumen entfernen.
  • Handelte es sich dagegen um vorgeschädigte Äste, die über die Straße ragen und von denen eine Gefahr für den Verkehr ausgeht, so ist der Waldbesitzer „Störer“ im Sinn des § 1004 BGB. Das gleiche gilt für Äste, die in das Lichtraumprofil der Straße ragen und den Verkehr beeinträchtigen. In beiden Fällen hat die Straßenverkehrsbehörde auch ohne den Schneebruch einen Beseitigungsanspruch gegen den Waldbesitzer. Sie hat daher, wenn sie wegen ihrer vorrangigen Verkehrssicherungspflicht die Äste beseitigt, einen Anspruch auf Erstattung der entstandenen Kosten.

Die Haftung des Straßenwärters

admin

Wenn es zu Unfällen durch Straßenbäume kommt, haftet in erster Linie die zuständige Straßenbehörde. Zwar kann auch der Straßenwärter herangezogen werden, aber als Bediensteter einer Behörde genießt er vor allem im Hinblick auf Schadensersatzansprüche des Geschädigten einen viel größeren Schutz als beispielsweise der privat tätige Baumkontrolleur oder auch als der Sachverständige, der über die Sicherheit eines Baumes zu entscheiden hat.

Kommt es zu einem Baumsturz oder einem Astausbruch und wird dadurch beispielsweise ein Kfz. beschädigt und/oder ein Verkehrsteilnehmer verletzt, so kann der Geschädigte und Verletzte wegen des Sach- und Personenschadens im Zivilprozess Schadensersatzansprüche geltend machen und durch Strafantrag (wenn nicht bereits ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht) einen Strafprozess wegen fahrlässiger Körperverletzung in Gang setzen. In beiden Fällen wird geprüft, ob ein fahrlässiges Verhalten der Verantwortlichen vorliegt. Behördenintern ist das zunächst der Straßenwärter, der den Baum als sicher ein gestuft hat, zivilrechtlich haftet nach außen aber stets nur die Behörde.

1. Haftung im Zivilprozess
In Schadensfällen wird untersucht, wieweit ein fahrlässiges Verhalten zu dem Unfall geführt hat. Wenn ein solches fahrlässiges Verhalten nachgewiesen wird, haftet die zuständige Behörde für den entstandenen Schaden wie Kosten der Reparatur des Fahrzeugs, Krankenhauskosten des Verletzten usw. Im Zivilprozess wird nicht der Straßenwärter verklagt, sondern die zuständige Behörde ist die Beklagte, und gegen sie ergeht ein entsprechendes Urteil.
Der Straßenwärter ist von Schadensersatzansprüchen weitgehend freigestellt, weil die Behörde bei dem Mitarbeiter, der Fehler bei der Baumkontrolle gemacht hat, nur dann Rückgriff nehmen kann, wenn diesem Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachzuweisen ist.

Ob ein Verschulden vorliegt, richtet sich im Zivilprozess nach objektiven Maßstäben. Das bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, was die Behörde bzw. ihre Mitarbeiter über die Vorhersehbarkeit von Baumschäden tatsächlich wussten, sondern ausschließlich darauf, was sie ihrer Position entsprechend wissen mussten. Nach der Rechtsprechung des BGH muss jeder staatliche Amtsträger die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse besitzen oder sich verschaffen. Dazu gehören folgerichtig auch die Fachkenntnisse, die im jeweiligen Tätigkeitsbereich erforderlich sind. Behörde und Mitarbeiter müssen also über den derzeitigen „Stand der Technik und Erfahrungen“ auf dem Gebiet der Baumkontrollen und Baumpflege informiert sein.

Der Straßenwärter ist Ansprüchen des Geschädigten zwar nicht unmittelbar ausgesetzt. Da aber die Behörde Rückgriff auf den Straßenwärter nehmen kann, wenn ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden, müssen diese Begriffe des Verschuldens geklärt werden. Es gibt folgende Formen des Verschuldens (dies ist der Obergriff), und zwar Vorsatz, bedingter Vorsatz, grobe und leichte Fahrlässigkeit.

Vorsatz ist gegeben, wenn z. B. der Straßenwärter einen Straßenbaum als sicher einstuft, obwohl ihm die von dem betreffenden Baum ausgehende Gefahr bekannt war. Dies wird allerdings kaum vorkommen.

Es gibt noch den bedingten Vorsatz, wenn der Straßenwärter zwar weiß, dass der Baum nicht mehr sicher ist, er aber nichts unternimmt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass ein Schaden eintritt.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Straßenwärter seine Kontrollpflicht in besonders schwerem Maße verletzt hat. Es muss ihm dazu nachgewiesen werden, dass er einfache, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was in der gegebenen Situation jedem einleuchten musste. Man muss sagen können: „Das darf einfach nicht vorkommen.“ Das ist der Fall, wenn der Straßenwärter einen bruchgefährdeten Baum für sicher erklärt, den er nur ganz flüchtig untersucht hat und deshalb beispielsweise große Pilzfruchtkörper übersehen hat.

Fruchtkörper Holz zersetzender Pilze übersehen zu haben, weil die fahrbahnabgewandte Seite nicht kontrolliert wurde, wäre grob fahrlässig.

Leichte (einfache) Fahrlässigkeit wird im Gesetz, in § 276 Abs. 2 BGB, definiert: „Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.“ Diese Sorgfalt wird daran gemessen, wie sich ein „normal veranlagter und gewissenhafter“ Straßenwärter bei seinen Entscheidungen verhalten würde. Es handelt sich also lediglich um Fehler oder Pflichtwidrigkeiten, die auch einem gewissenhaften Straßenwärter einmal unterlaufen können. Man muss sagen können: „Das kann jedem einmal passieren.“ Das könnte der Fall sein, wenn der Straßenwärter beispielsweise nicht besonders auffällige bruchgefährdete Totäste in einer belaubten Krone übersehen hat, und es anschließend zu einem Astbruch und Schaden gekommen ist.

Da bei Schadensersatzforderungen gegen die Straßenbehörde hinsichtlich des Verschuldens ein objektiver Maßstab angelegt wird und dieser bei Behörden streng nach dem Stand der Technik und fachlichen Erfahrungen beurteilt wird, kann der Straßenbehörde unter Umständen ein Verschulden nachgewiesen und sie zum Schadensersatz verpflichtet werden. Hiervon ist der Straßenwärter in der Regel nicht betroffen. Die Klage des Geschädigten richtet sich gegen die Behörde, die eventuell Schadensersatz leisten muss. Der Straßenwärter, der dem Geschädigten nicht direkt haftet, kann zwar von der Straßenbehörde in Regress genommen werden, wie gesagt aber nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Letzteres also nur, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist. Eine solche Fallgestaltung ist beispielsweise denkbar, wenn tiefe und bereits klaffende Risse in Druckzwieseln an Straßenbäumen unbeachtet bleiben. Diese Grundsätze mit der weitgehenden Freistellung des Beamten oder Behördenbediensteten gelten aber nur im Zivilprozess.

2. Haftung im Strafprozess
Im Strafprozess i. d. .R. wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung muss sich der Straßenwärter wie jeder andere an der Vorwerfbarkeit seiner Handlungsweise messen lassen. Fahrlässig im strafrechtlichen Sinne handelt, wer einen Straftatbestand wie beispielsweise eine Körperverletzung rechtswidrig verwirklicht, ohne dies zu wollen oder zu erkennen, ihm dies jedoch vorwerfbar ist.
Ob der Straßenwärter sich durch eine unzureichende Baumkontrolle strafbar gemacht hat, entscheidet sich danach, ob er die bei der Beurteilung der Sicherheit des Baumes erforderliche Sorgfalt nach seinem persönlichen Vermögen – nicht nach dem in dieser Stellung allgemein geforderten Wissen – außer acht gelassen hat und vor allem, welche Einsichts- und Handlungsfähigkeit ihm persönlich zugemutet werden konnte.

Strafprozesse im Zusammenhang mit der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen sind die Ausnahme, aber derzeit häufen sich die Unfälle mit Personenschaden (z. B Fall Meschede, eine Radfahrerin wurde von dem Astausbruch aus einer mächtigen Buche am Waldrand schwer verletzt und u.a. der Waldeigentümer zum Schadensersatz verurteilt, OLG Hamm, Urteil vom 30. März. 2007 – 13 U 62/06 –, Breloer, AFZ-Der Wald 12/2007, 628 ff.; weitere Verfahren bei ähnlichen Unfällen mit schwerwiegenden Folgen sind inzwischen zugunsten des Verkehrssicherungspflichtigen entschieden worden. (LG Saarbrücken, Urteil vom 3. März 2010 – 12 O 271/06 -, Breloer, AFZ-DerWald 13/2010, 52 und OLG Hamm, Urteil vom 15. April 2010 – I-6 U 160/09-, Breloer, AFZ-DerWald 4/2011)

Kommt es nach den Baumkontrollen des Straßenwärters zu einem tragischen Unfall, bei dem unglücklicherweise ein Mensch getötet wird, so wird die Staatsanwaltschaft mit Sicherheit ein Ermittlungsverfahren gegen den Straßenwärter einleiten, eventuell aber auch gegen den Vorgesetzten. Die Frage des Umfangs der Baumkontrollen wird Gegenstand der Ermittlung sein. Wenn festgestellt wird, dass Baumdefekte übersehen wurden und dies letztlich zu dem Unfall mit Todesfolge führte, wird weiter untersucht werden, wieweit der Straßenwärter die Baumdefekte nach dem derzeitigen Stand der Technik und Erfahrung grundsätzlich erkennen musste – dies ist die objektive Betrachtung der Verkehrssicherungspflicht in dem betreffenden Fall – und auch erkennen konnte – das ist die subjektive und maßgebliche, auf den Straßenwärter zugeschnittene Betrachtung in diesem Fall.

Wenn es sich um einen Baumdefekt handelte, dessen Gefährlichkeit erst kürzlich bekannt wurde, so wird ebenfalls geprüft werden, ob der Straßenwärter dieses neue Wissen haben musste und auch haben konnte. Dazu gehört auch die Prüfung, ob dem Straßenwärter die Möglichkeit gegeben wurde, sich fachlich fortzubilden, um auf dem derzeitigen Stand der Erfahrungen und Technik in Bezug auf die Baumuntersuchung zu sein.

Die Ausbildung zum Zertifizierten Baumkontrolleur auf der Basis der FLL-Baumkontrollrichtlinien bietet diese Möglichkeit der Weiterbildung für alle Baumkontrolleure und wird zurzeit verstärkt von den Straßenbaubehörden für ihre Baumkontrolleure in Anspruch genommen.

Die Zertifizierung wird unter anderem von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen – als der einzigen behördlichen Ausbildungsstelle – angeboten. (siehe Programm in www.baumzentrum.de)

Wurde dem Straßenwärter die Fortbildung nicht ermöglicht, ist ihm die daraus resultierende Unkenntnis grundsätzlich nicht vorwerfbar. Zudem gilt im Strafrecht immer der Grundsatz: „In dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten. Dem Straßenwärter muss also nachgewiesen werden, dass er die speziellen Kenntnisse hätte haben müssen.

Allerdings wird in diesem Zusammenhang dann untersucht werden, wer in der Straßenbehörde für die Fortbildung der Mitarbeiter zuständig ist. Wieweit die fehlende Sorge für eine Fortbildung des Baumkontrolleurs zu einem Schuldvorwurf gegen den jeweiligen Vorgesetzten reicht, hängt dann wiederum von weiteren, in der Person des Vorgesetzten begründeten, subjektiven Komponenten ab.

Auch im Strafverfahren wird ein Sachverständiger hinzugezogen, um die fachlichen Aspekte der Verkehrssicherungspflicht für Bäume zu klären. Hier kommt der fachlichen Kompetenz des Sachverständigen eine besondere Bedeutung zu, und seine Beurteilung muss auch auf einem richtigen Rechtsverständnis beruhen. Der Sachverständige darf nicht den Fehler machen, sein Sachverständigenwissen zum Maßstab für das Wissen des hier beschuldigten Straßenwärters zu machen.

Hinweise auf neuere Rechtsprechung
Verkehrssicherungspflicht im Wald*

Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 2. Oktober 2012, Aktenzeichen: VI ZR 311/11 zu den Verkehrssicherungspflichten im Wald

Waldbäume, die entlang von Wegen und Straßen stehen, welche dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind, müssen in angemessenen Abständen fachkundig kontrolliert werden, daran ändert sich durch das BGH-Urteil, vom 2. Oktober 2012, nichts. Allerdings, innerhalb des Waldes und den dortigen Wegen, unabhängig davon wie stark diese begangen werden, haftet der Waldeigentümer nicht für waldtypische Gefahren, so der BGH. Unter waldtypischen Gefahren versteht man Astbruch, umstürzende Bäume oder auch Gefahren, die sich aus einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes ergeben. Baumkontrollen muss der Waldeigentümer dort nicht durchführen. Wer den Wald betritt, so der BGH, tut dies auf eigene Gefahr, soweit es um waldtypische Gefahren geht. Für nicht waldtypische Gefahren, wie sie sich beispielsweise aus Bauwerken, Installationen und so weiter ergeben können, haftet der Waldbesitzer. Das Urteil hat einen tragischen Unglücksfall aus dem Jahre 2006 und danach ergangene Urteile des Landgerichts Saarbrücken bzw. Oberlandesgerichts Saarbrücken, also einen Einzelfall zum Hintergrund, jedoch hat es darüber hinaus wegweisende Bedeutung. Für die Waldbesitzer stellt dieses BGH-Urteil eine erhebliche Erleichterung und ein deutliches Mehr an Rechtssicherheit dar.

Die Abbildung zeigt die waldtypische Gefahr eines umstürzenden Baumes. Für Schäden, die hieraus entstehen haftet der Waldbesitzer nicht.
Auf dieser Aufnahme ist eine nicht waldtypische (atypische) Gefahr zu sehen. Sollte jemand hier zu Schaden kommen, so haftet der Waldbesitzer.

Der mittels der Pfeile markierte Baum hebt sich deutlich in der Gesamtsituation ab. Aufgrund seines Alters, seiner Mächtigkeit und des über die gesamte Fahrbahnbreite ragenden Starkastes springt er als für die Verkehrssicherheit relevante Besonderheit ins Auge. Die zuständige Straßenmeisterei sollte deswegen eine eigene Kontrollzuständigkeit erkennen, was diesen Baum angeht.
Dies ist der über die Fahrbahn ragende Starkast. Der Schaden wurde gerade noch rechtzeitig erkannt. Eineinhalb Stunden nach Entstehen dieser Aufnahme wurde dieser Teil der Baumkrone entfernt, die Gefahr gebannt.
Verkehrssicherungspflicht an Waldrändern*

Urteil OLG Koblenz

Am 19. November 2012 erging ein Urteil, 12 U 794/11, des Oberlandesgerichts Koblenz zur Frage, wer die Verkehrssicherungspflicht für Waldbäume entlang von Straßen trägt. In diesem konkreten Fall wurde die Straßenbaubehörde nicht zur Verantwortung gezogen, weil der den Schaden verursachende Baum optisch nicht aus dem Bestand heraus stach. Somit ordnete das Gericht den Baum uneingeschränkt dem Wald, also nicht der Straße zu. In der Urteilsbegründung wurde andererseits deutlich gemacht, dass Straßenbaubehörden im Schadensfall mit in der Verantwortung stehen, sofern es sich um einen Baum handelt, der sich optisch vom umgebenden Waldbestand abhob, beispielsweise durch einen deutlichen Schrägstand oder eine auffallend schüttere Baumkrone.

Verkehrssicherungspflicht bei Pappeln und anderen Weichholzarten*

Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 6. März 2014, Aktenzeichen: III ZR 352/13

Dieser BGH-Entscheidung lag ein Fall zugrunde bei dem ein belaubter Pappelast auf ein Fahrzeug gefallen war und dieses beschädigt hatte (Stichwort: Grünastbruch oder auch Sommerbruch grüner Äste). Der streitgegenständliche Ast wies keine bei einer Regelkontrolle feststellbaren Schadmerkmale auf. Der BGH stellte fest, dass die Beklagte ihren Verkehrssicherungspflichten nachgekommen, ihr nichts vorzuwerfen sei. Von besonderer Bedeutung dieses richtungsweisenden Urteils ist die Feststellung des Bundesgerichtshofes, dass ein natürlicher Astbruch als naturgegeben anzusehen und daher als Lebensrisiko hinzunehmen sei. Dieser Grundsatz gelte auch für Baumarten, die bekanntermaßen eher zu solchen Astbrüchen neigen (Weichholzarten), und dies gelte auch dann, wenn es bereits mehrfach zu derartigen Astbrüchen gekommen sei. Hingegen gelte dieser Grundsatz nicht, wenn ein solcher Ast vor dem Bruch Schadmerkmale aufgewiesen habe, die im Rahmen einer Baumkontrolle als solche erkennbar waren. Der BGH verneint in diesem Urteil eine besondere Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen, die bekanntermaßen eher zu natürlichem Astbruch neigen. Solche Bäume müssen demnach nicht häufiger oder aufwändiger kontrolliert werden als andere. Auch gibt es keine Verpflichtung, Baumkronen dieser Arten vorsorglich einzukürzen oder gar Bäume komplett zu entfernen.

Erneut stellt der BGH bemerkenswert klar heraus, dass es Lebensrisiken gibt, die hingenommen werden müssen und spricht sich gegen überzogene Forderungen hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht aus. Für Verkehrssicherungspflichtige stellt diese BGH-Entscheidung eine ganz erhebliche Entlastung dar.

Anforderungen an Baumkontrollen und Verkehrssicherungspflichtige*

Urteil des OLG Dresden vom 6. März 2013, Aktenzeichen: 1 U 987/12

Diesem Urteil ging ein Schadenfall voraus, bei dem ein städtischer Straßenbaum auf eine Lagerhalle gekippt war. Die Klage des Geschädigten wurde zunächst vom Landgericht, dann vom OLG Dresden abgewiesen. Das Urteil des OLG beinhaltete die Nichtzulassung der Revision beim BGH. Gegen die Nichtzulassung der Revision legte der Geschädigte Beschwerde ein. Die Beschwerde wurde durch Beschluss des BGH, am 28. Mai 2014 zurückgewiesen, III ZR 102/13.

In seinem Urteil machte das OLG Dresden deutlich, dass die Regelkontrolle durch geschultes Personal durchgeführt werden muss, Personal, das Schadsymptome erkennt, deren konkretes Gefahrenpotenzial zutreffend einschätzen und den erforderlichen Handlungsbedarf festlegen kann. Beim Fehlen ausreichender, eigener Sachkunde müsste entsprechendes Fachpersonal hinzugezogen werden. Des Weiteren stellte das OLG Dresden fest, dass es keinen generell festzulegenden Kontrollintervall geben könne. Die erforderliche Häufigkeit und Intensität der Baumkontrolle sei eine Einzelfallentscheidung, die auf der Basis der entsprechenden Fachkunde zu treffen sei. Zur Orientierung zog das OLG Dresden bei seinem Urteil die FLL – Baumkontrollrichtlinien heran.

Dabei machte das Gericht Grenzen der Zumutbarkeit bei der Regelkontrolle von Bäumen deutlich. Es könne vom Baumkontrolleur nicht verlangt werden, dass er bei jeder Kontrolle Sichtbehinderungen im Bereich des Stammfußes beseitigen müsse (hier denkt der Autor beispielsweise an Laub, Moos, Flechten, andere Pflanzen, Stockausschläge, angeschütteten Boden). Dieser Aufwand könne in größeren Abständen oder bei Vorliegen eines konkreten Anlasses gefordert werden. In diesem Kontext hob das OLG Dresden die besondere Situation von Gebietskörperschaften hervor, die es mit einer Vielzahl von Bäumen zu tun hätten.

Bemerkenswert ist zudem die ablehnende Haltung des Gerichtes gegenüber dem Betrachtungsansatz, vom Zustand anderer Bäume auf den Zustand eines benachbarten Baumes zu schließen.

Übrigens hatte die Beklagte die letzte Regelkontrolle vor dem Schadereignis nicht durchgeführt. Dies wirkte sich jedoch im Sinne der Klage nicht auf das Urteil aus, weil die unterlassene Regelkontrolle in diesem Fall nicht ursächlich für das Schadereignis gewesen sei.

* Texte von Marko Wäldchen, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, FLL-Regelwerksausschussmitglied Baumkontrollen/Baumuntersuchungen, Mitbegründer des BAUMZENTRUM’s, langjährige Zusammenarbeit mit Helge Breloer

Fortbildung zum zertifizierte/n Baumkontrolleur/in

admin

Der Weiterbildung der Straßenwärter sowie aller Baumkontrolleure kommt in der heutigen Zeit eine besondere Bedeutung zu. Das liegt einmal an der zunehmend strengen Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht für Bäume. Hier wird die Verantwortlichkeit des Baumkontrolleurs immer weiter ausgedehnt, weil oft die vom Gericht hinzu gezogenen Sachverständigen viele Schadensmerkmale – die sie hinterher feststellen – als vorhersehbar beschreiben. Insgesamt wir so von den Baumkontrolleuren und vor allem den Straßenwärtern ein immer umfassenderes Wissen verlangt.

Das öffentlich-rechtliche Zertifikat der Landwirtschaftskammer NRW bereitet in 10 Tagen gezielt auf die Tätigkeit als verantwortungsvoller LWK-Zertifizierter Baumkontrolleur vor. Es hebt sich bewusst vom Standard anderer Zertifizierungen ab. Wir glauben, dass 10 Ausbildungstage, auch für gestandene Kontrolleure, ein Minimum sind. Der hohe Standard des Premiumkurses wird erreicht durch:

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Referentinnen und Referenten
Thomas Ludwig, Marko Wäldchen und Marc Wilde ö.b.u.v. Baumsachverständige

Teilnehmerbeitrag
Seminargebühr:         1.800 EUR inklusive Seminarunterlagen zum Download
Prüfungsgebühr:         360 EUR

Voraussetzungen

  • eine mit Erfolg abgeschlossene Ausbildung im Agrarberuf oder Vergleichbares
  • ein Jahr Tätigkeit in der Baumpflege- oder -kontrolle
Adressen und Informationen:
Marko Wäldchen, Am Heuweg 19, 59494 Soest
Telefon: +49 2921 9448887, Mobil: +49 171 7700636
E-Mail: marko-waeldchen@t-online.de
Mitgründer der Fort- und Weiterbildungsstätte BAUMZENTRUM
Mitglied im FLL-Regelwerksausschuss Baumuntersuchung/Baumkontrolle
Leiter des FLL-Arbeitskreises Artenschutz bei Baumkontrolle und Baumpflege
Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bäume

Dipl. Ing. Marc Wilde, Am Feldweg 8, 49525 Lengerich
Telefon: +49 5482 926843, Mobil: +49 173 9508705
E-Mail: marcwilde@gmx.de
Landschaftsarchitekt
Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bäume

Web: www.baumzentrum.de

Ihr Ansprechpartner bei der Landwirtschaftskammer NRW:
Martin Bietenbeck
Telefon: +49 2506 309-188
E-Mail: Martin.Bietenbeck@LWK.NRW.DE