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Behinderung

Hilfen für Behinderte im Beruf: Auf eigenen Füßen stehen

„Selbstbestimmt leben“ – diese Forderung aus der Behindertenhilfe hat eine ganz besondere Bedeutung, wenn es um Arbeit und Beruf geht. Eine Erwerbstätigkeit auszuüben ist nicht nur wichtig für den Lebensstandard. Selbst den Lebensunterhalt zu verdienen, „auf eigenen Füßen zu stehen“, bedeutet gerade für behinderte Menschen ein großes Stück Unabhängigkeit von fremder Hilfe – und von Bevormundung. Mit einem Arbeitseinkommen ist nicht zuletzt auch eine stärkere soziale Sicherung verbunden. Eine Berufstätigkeit hat aber auch eine andere Bedeutung: Sie vermittelt gesellschaftliche Anerkennung ebenso wie persönliche Befriedigung und Selbstwertgefühl.

Dass alle schwerbehinderten Menschen im Arbeitsleben gesetzlichen Schutz genießen und die gleichen Fördermöglichkeiten in Anspruch nehmen können, ist erst Mitte der siebziger Jahre durch das Schwerbehindertengesetz geregelt worden. Bis dahin waren die Hilfen von der Ursache der Behinderung (z.B. Krieg oder Arbeitsunfall) abhängig. Heute finden sich die Regelungen im „Neunten Buch des Sozialgesetzbuches“ (abgekürzt: SGB IX).

Für die Integration Behinderter in das Arbeitsleben gibt es drei Hauptinstrumente:

  • die „Begleitende Hilfe“ im Beruf,
  • die Erhebung einer Ausgleichsabgabe und
  • der Kündigungsschutz für Schwerbehinderte.

Wenn ein Arbeitgeber eine schwerbehinderte Person einstellen will, kann die Agentur für Arbeit erhebliche Lohnzuschüsse auch über einen längeren Zeitraum gewähren. Für junge und besonders betroffene Schwerbehinderte werden besondere Anstrengungen unternommen. Auch bei der individuellen Arbeitsplatzausstattung wird dem Arbeitgeber geholfen: Fördermittel und technische Beratung durch Ingenieure kommen vom Integrationsamt. Weitere mögliche Kostenträger sind die Renten- und die Unfallversicherung – je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls.

Begleitende Hilfe mit Frühwarnsystem

Einen Arbeitsplatz zu bekommen ist eine Sache – ihn zu behalten eine andere. Deshalb gibt es eine begleitende Hilfe und – sozusagen als „Frühwarnsystem“ – betriebliche Helfer des Integrationsamtes. Gemeint sind damit die Schwerbehindertenvertretung („Vertrauensleute“) und der Beauftragte des Arbeitgebers für Schwerbehinderte. Sie sollen regelmäßigen Kontakt halten zu den Betroffenen und beim Auftreten von Problemen frühzeitig Lösungen vorschlagen bzw. Fachleute hinzuziehen. Neben der umfassenden Beratung der Arbeitgeber und der schwerbehinderten Frauen und Männer gibt es eine breite Palette von Fördermöglichkeiten.

Wer ist schwerbehindert?

Schwerbehindert ist eine Person, wenn ihr das Versorgungsamt einen „Grad der Behinderung (GdB)“ von wenigstens 50 bescheinigt. Sie erhält den Schwerbehindertenausweis, der auch weitere Angaben zur Behinderung enthalten kann. Personen mit einem GdB von 30 bis 50 können in der beruflichen Behindertenhilfe Förderung bekommen, wenn dadurch ein Arbeitsverhältnis geschaffen oder eine Kündigung verhindert werden kann. Sie werden in dieser Hinsicht Schwerbehinderten gleichgestellt.

Da für eine Reihe von Behinderungen spezielle fachliche Beratung und individuelle Betreuung notwendig sind, gibt es inzwischen Integrationsfachdienste, die hauptsächlich von den Integrationsämtern finanziert werden. Diese Dienste kümmern sich um die individuellen Belange besonders betroffener Schwerbehinderter, wie z.B. psychisch Behinderte, Gehörlose, Blinde und junge Behinderte.

Kündigungsschutz ist keine Unkündbarkeit!

Damit das Integrationsamt überhaupt von Problemen Schwerbehinderter im Beruf erfährt und damit eine Chance erhält, seine Instrumente anzubringen, gibt es für Schwerbehinderte einen besonderen Kündigungsschutz. In vielen Fällen kann es nämlich – z.B. durch Hilfen am Arbeitsplatz auf Vorschlag des Technischen Fachdienstes, durch den Einsatz der Integrationsfachdienste und durch Arbeitsassistenz – die Arbeitsverhältnisse retten.

Die weit wichtigere Bedeutung des Kündigungsschutzes liegt allerdings im Vorfeld: Da alle Beteiligten die Kündigung vermeiden wollen, bemühen sie sich sehr frühzeitig um Abhilfe. Deshalb auch das oben erwähnte „Frühwarnsystem“.

Entgegen einem weitverbreiteten Vorurteil stellt dieser Kündigungsschutz keine Unkündbarkeit dar! Nachweislich wird die Zustimmung zur Kündigung durch die Integrationsämter in den weitaus meisten Fällen erteilt, denn oft liegen dabei betriebliche Gründe vor (Auftragsmangel, Betriebsstilllegung etc.). Bei persönlichem Fehlverhalten kann es sogar eine Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen Kündigung geben.

Ausgleichsabgabe

Für die Finanzierung neuer Arbeitsplätze, der Begleitenden Hilfe sowie für Schulungen und Informationsmaterial für die betrieblichen Helfer verfügen die Integrationsämter über einen „Sondertopf“, die Mittel der Ausgleichsabgabe. Nach dem Sozialgesetzbuch ist jeder Arbeitgeber ab 40 Arbeitnehmern verpflichtet, fünf Prozent Schwerbehinderte zu beschäftigen. Wird diese „Pflichtquote“ nicht erfüllt, so ist pro nicht besetztem Pflichtplatz eine Ausgleichsabgabe zu leisten. Die Höhe der Abgabe ist gestaffelt: Betriebe, die sehr wenig Schwerbehinderte beschäftigen, müssen eine höhere Abgabe zahlen. Für Firmen unter 60 Beschäftigten gibt es Sonderregelungen.

Diese Mittel dürfen nur für die berufliche Behindertenhilfe verwendet werden. Diese Abgabe versucht einen Ausgleich zwischen den Arbeitgebern herzustellen, daher ihr Name. Die Mittel der Ausgleichsabgabe werden für folgende Zwecke verwendet: Bau und Ausstattung von Behindertenwerkstätten sowie Wohnheimen (für Behinderte, die in einer Werkstatt arbeiten), Neuschaffung und behinderungsgerechte Umgestaltung von Arbeitsplätzen inkl. Umfeld, Beratungsdienste, berufliche Fortbildung von Behinderten, behinderungsgerechter Umbau des Zugangs zur Wohnung eines Schwerbehinderten, Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes (Umbau PKW).